RB | Springreiten – Ohne Geld kein Erfolg? Schon klar, ganz so einfach kann man den Pferdesport wohl nicht zusammenzufassen, denn es braucht auch Talent von Reiter und Pferd, richtige Ausbildung, einen fitten Reiter- und Pferdekörper, etc. Dennoch nutzen alle diese Gegebenheiten nichts, wenn der Pferdesport nicht finanziert wird. Denn der kostet Geld. Viel Geld. Vor allem Pferde mit Siegerpotential in schwersten Prüfungen erreichen Verkaufssummen in Millionenhöhe. Hat man es geschafft und einen „Kracher“ gefunden sowie richtig ausgebildet, muss man meist auf den eigenen Erfolg verzichten und den „Edelstein“ verkaufen um selbst wirtschaftlich über die Runden zu kommen. Österreichs Spitzenspringreiter Max Kühner macht das alles im Gespräch mit Ruth Büchlmann (Equestrian Worldwide – EQWO.net) zum Thema. Der 43-Jährige spricht darüber wie dringend notwendig Mäzene für den Pferdesport sind, seine Philosophie in der Pferdeausbildung, die Bedeutung eines guten Teams und wie man einen Vollzeitjob sowie die Reitkarriere samt Familie unter einen Hut bekommt.
Nation gewechselt
2015 war für Max Kühner und Österreichs Pferdesport ein wichtiges Jahr. Der Bayer entschied sich für einen Nationenwechsel und geht seither nicht mehr für Deutschland, sondern für Österreich an den Start. Damit bekam die Alpenrepublik einen international erfolgreichen Spitzenreiter mit ebensolchen Pferden und für den zweifachen Familienvater öffneten sich zahlreiche Türen. Denn auch wenn Max Kühner in Deutschland beständig vorne mitmischen konnte, gab es an den etablierten deutschen Reiterstars kein Vorbeikommen. Deutschland hat eben eine Spitzenreiterdichte, die ihresgleichen sucht und somit bekam Max Kühner bis zum Nationenwechsel bei den absoluten Top-Events und Championaten kaum Startmöglichkeiten. Inzwischen rockt der gebürtige Bayer als Österreicher die Springreitturniere der Welt. Ob Weltcupfinale, Global Champions Tour oder begehrte 5-Stern-Turniere Max Kühner mischt gewaltig mit.
Vom Suchen und Finden
Dass Max Kühner beständig gute Pferde unter dem Sattel hat, ist auf ein gut ausgetüfteltes Prozedere zurückzuführen, das Max mir so erklärt: „Unser Prinzip ist es immer, talentierte junge Pferde im Alter zwischen zwei und vier Jahren zu kaufen und sie dann bei uns auszubilden. Das Konzept geht sehr gut auf. Wir haben schon viele Pferde hervorgebracht, die in den internationalen Sport gegangen sind, manche auch in den Spitzensport. Das zeigt uns, dass sich unsere Arbeit auszahlt, und das wiederum macht unser Team happy und lässt uns noch motivierter arbeiten. Aktuell kommen wieder sehr gute Nachwuchspferde hinterher, die sich locker im Zwei- und Drei-Sterne-Bereich etablieren können. Was jedoch bei aller guter Planung mit ein wenig Glück zu tun hat, ist es, diese absoluten Ausnahmepferde dabei zu haben. Pferde, die erfolgreich über die schwersten 1.60 m Parcours springen können.“
Geplant anders mit den Pferden arbeiten
„In der Ausbildung legen wir es bei allen Pferden gleich an. Wir wollen sicherstellen, dass es für die jungen Pferde möglichst viele Wiederholungsphasen gibt. Das heißt, wir lassen die Pferde nicht ständig nur noch die schwersten Prüfungen gehen, wenn sie einmal auf dem Niveau sind. Wir fahren das Programm immer wieder herunter. So kommen unsere Pferde zum Beispiel vierjährig teilweise zurück auf die Weide, wenn sie einmal angeritten sind. Fünfjährig reiten wir sie dann quasi ein zweites Mal an. Da merkt man, dass sich vieles deutlich schneller entwickelt, aber man beginnt trotzdem noch einmal ganz von vorne. So festigt sich das Gelernte. Bei uns steht die Dressurarbeit sehr im Fokus und hier ist meine Frau Liv eine ebenso wichtige Stütze wie unsere Bereiter Bart. Bei den Nachwuchsspringpferden spielt Helmut eine große Rolle und die ganz wichtige Basis in unserer Arbeit mit den Pferden ist unser Stall-Team mit Alex als Stablemanagerin sowie Lisa, Isabelle und Sara.“
Der Weg zum gut ausgebildeten Pferd
„Wenn die Basis sitzt, konzentrieren wir uns auf das Springen, dann gibt es wieder nur Dressurarbeit, zwischendurch auch ausschließlich Freizeitphasen und dann wieder Springtraining, Dressurarbeit, Freizeit und so weiter. Durch diese konstante Wiederholung bleiben die Pferde geistig bei Laune und können sich viel schneller auf die jeweils geforderten Aufgaben einstellen. Das sind für mich dann gut ausgebildete Pferde, weil sie eben nicht nur physisch, sondern auch psychisch fit sind und den Sport aushalten.“
An der Spitze bleiben? Das geht nur mit Sponsoren!
Von außen gesehen muss Max Kühner doch fast täglich in Jubellaune sein. Die Pferde springen fantastisch, Kühner kann sich aufgrund der eigenen Firma offensichtlich den Sport leisten und auch die Familie scheint das ständige Auf-Achse-Sein zu unterstützen und stets mitzufiebern. „Ist das so?“, frage ich Max. „Klar sieht man das so“, meint er. „Denn sportlich ist es für uns in den letzten beiden Saisonen gut gelaufen und ich bin auch sehr zufrieden. Mit Chardonnay, Cornet Kalua und Cielito Lindo habe ich drei verlässliche Pferde für 1.50 m und 1.60 m Springen. Wir sind jetzt aber auch an einem Punkt angekommen, an dem es schon recht eng wird. Man muss ständig am Ball bleiben und im Hintergrund dreht sich ein ziemlich großes Rad. Nicht nur wir Reiter, auch die Pfleger, Besitzer und Sponsoren müssen einen guten Job machen. Ansonsten kann man das Niveau nicht halten. Vom Weltcup über Championate und die Longines Global Champions Tour Turniere steht vieles am Plan und man sollte möglichst überall gut sein. Dafür braucht man dann auch die entsprechende Anzahl an Pferden. Normalerweise geht ein gutes Pferd nicht mehr als 15 bis 20 Turniere im Jahr. Aber diese Spitzenpferde sind wie erwähnt recht rar. Ich weiß nicht, ob ich immer das Glück haben werde, selbst so ein Pferd zu haben. Da braucht man langfristig einfach auch Unterstützung. Deshalb freue ich mich sehr, dass mir Peter Schildknecht die beiden Pferde PSG Future und PSG Final zur Verfügung gestellt hat. PSG Future ist ein auf 5-Stern-Niveau erprobter 13-jähriger Holsteiner Wallach und der siebenjährige Toulon-Nachkomme PSG Final (x Cassini I) darf im Rahmen unseres Züchtermodells bei uns ausgebildet werden und Karriere machen. Das ist insofern besonders, da Peter Schildknecht bereits einige Angebote für ihn bekommen hat und dennoch auf die nötige Ausbildung und unsere Erfahrung setzt, um ihn in den großen Sport zu bekommen.“
Mäzen ist nicht gleich Mäzen – die Chemie muss stimmen
Ein gewichtiges Wort aus dem Mund des österreichischen Top-Reiters, der doch finanziell so unabhängig erscheint. „Ist der Pferdesport wirklich alleine nicht finanzierbar?“, frage ich Max Kühner. „Ich denke, dass es im Reitsport nicht nur reicht, jemanden als finanziellen Sponsor zu haben“, meint er. „Der Sponsor muss sich mit dem Sport und vor allem mit seinem Reiter identifizieren können. Am Ende braucht man also eher einen Mäzen. Jemanden, der Gefallen daran findet, wenn sein Pferd erfolgreich ist, aber auch versteht, wenn es mal nicht so gut läuft. Man hat als Reiter in Summe gesehen eben mehr Misserfolge als Erfolge.
Mir persönlich geht es auch nicht um Gewinnmaximierung durch den Sport, ich habe ja auch noch einen anderen Beruf. Wir hatten schon oft Angebote für Pferde, die wir nicht verkauft haben. Das haben wir sozusagen im Familienrat besprochen, dass wir nicht ‚einfach so‘ verkaufen. Wenn es nur um den Profit gehen würde, hätte ich viele der Pferde schon lange nicht mehr.
Doch wenn sich eines der Top-Pferde mal verletzt oder eine Pause braucht, müssen andere seinen Platz einnehmen können. Wenn man sich in der Weltspitze etablieren will, ist das einfach wichtig. Daher werden wir auf lange Sicht auch einen Sponsor finden müssen, der von unserer Arbeit begeistert ist und uns unterstützen möchte.“
Pferde mit Vermögen sind gesucht – auch das ist Sponsoring
„Daher geht es mir persönlich bei Sponsoren auch nicht nur um den finanziellen Aspekt. Wichtig ist, dass beide Parteien gerne zusammenarbeiten. Außerdem baue ich die Pferde am liebsten selbst auf. Für mich kann ein Sponsor also auch jemand sein, der nicht die großen finanziellen Mittel, dafür aber ein außergewöhnliches Pferd hat, dass man dann zur Verfügung gestellt bekommt. Gute Sieben- oder Achtjährige finde ich ideal, da kann man selbst noch den letzten Schliff verfeinern. Wenn jemand meint, so ein Pferd zu haben und mich kontaktiert, schaue ich mir meistens erst Videos an. Danach kommt der Proberitt und, wenn der gut läuft, eine Art Testphase. Ich reite die Pferde dann eine Weile, sehe, ob wir gut zusammenpassen und sie die Erwartungen erfüllen. Wenn alles stimmt, kläre ich die Interessen der Besitzer ab und erarbeite mit ihnen gemeinsam ein Konzept. Wenn die viel besagte Chemie dann stimmt, steht einer Zusammenarbeit eigentlich nichts im Weg.“
Kommunikation als Erfolgsfaktor
„Neben den Pferden muss auch das ganze Team stimmen. Wir müssen unsere Pferde in- und auswendig kennen um erfolgreich zu sein und da spielt die Kommunikation zwischen allen Beteiligten eine große Rolle. Das besprechen wir ganz genau mit Besitzern von Pferden, die bei uns in Beritt kommen.“
Von Motivation und guter Pferdelaune
„Jede tierärztliche Behandlung, jeder Besuch der Physiotherapeutin wird dokumentiert. Darüber hinaus geben unsere Bereiter Feedback, wie die Pferde sich unter dem Sattel anfühlen oder sich an der Longe verhalten. Die Pfleger beobachten ihre Schützlinge sowieso ständig. Da bekommt man dann schon einen sehr genauen Eindruck, auch wenn die Pferde alle sehr unterschiedlich sind. Je größer die Persönlichkeit des Pferdes ist, desto intensiver muss man sich – so denke ich – mit ihm beschäftigen. Was braucht es, um die ideale Leistung erbringen zu können? Wie hält man sie alle bei Laune? In den letzten Jahren haben wir uns darüber viele Gedanken gemacht und Techniken entwickelt. Nicht nur im Training, sondern im gesamten Handling und Management der Pferde.“
Die richtigen Hufeisen sind kein Zufall
„Auch was den Beschlag angeht überlassen wir nicht gerne etwas dem Zufall. Wenn sie mit einem Beschlag wirklich gut laufen, wissen wir auf den Millimeter genau, wie der Huf aussehen soll.“
Der Pferdepfleger als Erfolgsfaktor
Wer denkt, dass Pfleger eine hierarchisch untergeordnete Rolle spielen, irrt. Sie sind bei Max Kühner ein wichtiger und unverzichtbarer Erfolgsgarant: „Unsere Pfleger spielen in unserem Konzept eine wichtige Rolle. Bei uns gibt es keine fixe Zuteilung, jeder unserer Pfleger kommt mit allen Pferden gut klar, auch wenn jeder seine Stärken in bestimmten Bereichen hat. Sie behandeln die Pferde auch mit Methoden aus der Alternativmedizin. Zum Beispiel mit den Decken und Lasern von Equusir, Stosswellen oder dem Rehatron. Die Erfahrungen, die unsere Pfleger dabei machen und die Veränderungen, die sie an den Pferden sehen, geben sie weiter. Das ist mir wichtig.“
Planung, Planung, Planung
„Wenn man sich langfristige Ziele setzt, dann muss man auch langfristig planen. Die Einsätze der Pferde und den Turnierplan an sich erstelle ich. Die ganze Reiseplanung, inklusive aller nötigen bürokratischen Dingen, macht das Team. So verlässliche und gute Leute an seiner Seite zu haben, ist natürlich eine enorme Entlastung für mich. Das heißt nicht, dass es dabei nicht mal zu Reibereien kommt. Aber wir schätzen uns gegenseitig sehr und ich weiß, dass alle einen super Job machen.
2017 haben wir schon einen sehr straffen Plan. Nach der Hallensaison, die für uns mit dem Weltcupfinale in Omaha Anfang April endete, ging es gleich weiter zur Longines Global Champions Tour nach Mexiko und Miami. Ich gehöre heuer auch zu einem Team der Global Champions League, den Berlion Lions. Das sind dann schon eine ganze Menge Stationen. Dazu kommen noch die Nationenpreisturniere mit dem österreichischen Team und das Jahreshighlight: die Europameisterschaft in Göteborg. Danach geht es schon fast wieder mit der Hallensaison los, in der Weltcupturniere wieder Priorität haben.“
… und noch mehr Planung
„Meinen 40+ Stunden Job mit meinem Familienleben und der Karriere im Reitsport unter einen Hut zu bekommen, ist nicht immer leicht. Aber wir sind wirklich gut organisiert. Den Großteil der Woche bin ich ab sechs Uhr morgens im Stall, bevor ich um neun Uhr in mein Büro fahre. Dort bin ich dann bis abends eingespannt. Mein Ziel ist es, so nach Hause zu kommen, dass ich zusammen mit meiner Frau Liv und unseren beiden Töchtern idealerweise noch Abendessen kann oder die Kids zumindest ins Bett bringe. Alle ziehen voll mit, Jolie (Max ältere Tochter) ist mit ihren sieben Jahren sogar schon mit mir aufs Turnier nach Mechelen gefahren. Meine Frau Liv kümmert sich um die Pferde, reitet sie vor allem Dressur und unterstützt mich auf allen Ebenen.
Im Vorstand meiner Firma habe ich drei Kollegen, die ich schon 15 Jahre oder sogar länger kenne. Wir arbeiten auch dort super zusammen und sind ein eingeschworenes Team. Dadurch, dass es meine eigene Firma ist, konnte ich die Strukturen so organisieren, dass ich auch unterwegs viel erledigen kann. Anders wäre das alles nicht zu schaffen.“
Was kommt 2018 und danach?
„Die Priorität liegt ganz klar auf den Championaten. Außerdem möchten wir uns die gute Position in der Weltrangliste nicht nur halten, sondern auch noch weiter nach vorne kommen. Nur dann kommt man auch auf gute Turniere. Die jungen Pferde sollen aber auch nicht zu kurz kommen, immerhin müssen wir ja für die Zukunft planen. Es muss einfach immer weitergehen.“
Wir wünschen Max, dass er „seinen“ Mäzen findet und auch, dass sich Pferdebesitzer mit top-talentierten Pferden bei ihm melden.
Ruth M. Büchlmann
Dieser Text wurde von EQUESTRIAN WORLDWIDE – EQWO.net verfasst und ist KEINE Pressemitteilung. Das Kopieren des Text- und Bildmaterials ist nicht gestattet.