Justin Verboomen ist Europameister – Die große Nachlese
Dressur – Der neue Europameister im Grand Prix Special kommt aus Belgien: Justin Verboomen pilotierte seinen erst neunjährigen Hannoveraner-Hengst Zonik Plus heute in Crozet zu 82,371 % und sicherte sich die Goldmedaille. Cathrine Laudrup-Dufour (DEN) und Mount St John Freestyle tanzten mit Fehler in den Einerwechseln zu 81,687 % und Silber, Bronze erkämpfte sich Isabell Werth (GER/79,027 %) auf Wendy de Fontaine.
Dass Justin Verboomen (BEL), Cathrine Laudrup-Dufour (DEN) und Isabell Werth (GER) heute (29.8.) am Podium stehen würden, ist keine ganz große Überraschung. Waren die drei doch auch im Grand Prix die drei Besten. Unerwartet war jedoch schlussendlich die Reihenfolge. Aber von Anfang an:
Ingrid Klimke (GER) und Vayron eröffneten um 10 Uhr den Grand Prix Special. Die Team-Europameisterin konnte den Westfalen-Hengst besser bei sich behalten als noch im Grand Prix und zeigte eine schöne Runde. Einzig: Sie verritt sich vor den Galopp-Traversalen, als sie stattdessen zuerst die Zweierwechsel zeigen wollte. Das gab zwei Prozentpunkte Abzug. Im Interview nach dem Ritt verkündete Ingrid Klimke zwei große Neuigkeiten: Vayron wird auch in Zukunft im Stall Klimke stehen, und: Ein Umzug steht an. Bereits kommenden Montag ziehen die Pferde der Vielseitigkeits-Olympiasiegerin in einen neuen Stall. Wieder in Münster, auf einer kleinen Privat-Anlage mit nur 13 Paddock-Boxen und vielen Weiden.


Die Führung machte ihr als erstes die Dänin Nadja Aaboe Sloth streitig. Auf Favour Gersdorf scorte sie 72,811 % und setzte sich an die Spitze. Als letztes Duo der ersten Hälfte war vor der Mittagspause Andreas Helgstrand (DEN) mit Jovian an der Reihe. Der ganggewaltige DWB-Hengst war unsteter als im Grand Prix und erhielt 69,666 %. Das sollte nicht für die Musikkür reichen. Cathrine Dufours Schülerin Maria von Essen (SWE) läutete mit Invoice die zweite Hälfte des Specials ein. Dann ging es Schlag auf Schlag: Larissa Pauluis (BEL) übernahm mit Flambeau und 73,283 % die Führung. Kurz darauf ritt Sandra Sysojeva (POL) auf ihrer Maxima Bella zu neuer persönlicher Bestleistung von 72,811 %. Patrik Kittel (SWE) und Touchdown kamen mit 72,533 % nicht an die bis dahin führenden Paare heran. Er reihte sich direkt hinter Teamkollegin von Essen ein.
Lottie Fry & Glamourdale chancenlos
Um 14:50 Uhr dann die erste ernsthafte Medaillen-Favouritin: Charlotte Fry (GBR) auf Glamourdale. Aber wie schon im Grand Prix konnten die beiden keine fehlerfreie Runde zeigen. Die Piaffe aus dem Schritt wollte nicht auf Anhieb gelingen, das kostete: Note für den Übergang und die Piaffe selbst. Am Ende standen 75,289 % am Leaderboard – die Medaille rückte in weite Ferne.


Teamkollegin Becky Moody (GBR) gelang auf Jagerbomb eine bessere Runde. Der elfjährige Dante-Weltino-Nachkomme wurde mit 77,796 bewertet. Kurz zuvor hatte die deutsche Newcomerin Katharina Hemmer auf Denoix FRH die Führung übernommen. Die beiden gelang eine genialer und fehlerfreie Darbietung. Den Tipp von Isabell Werth: „Es ist alles da, du musst es nur reiten“, nahm sich die 31-jährige zu Herzen. Das Rezept ging voll auf und es gab 78,678 % – neue persönliche Bestleistung und die Führung vor den letzten sieben Paaren.

An dem Highscore bissen sich anschließend drei erfahren Reiter:innen die Zähne aus: Isabel Freese (NOR/74,316 %) mit Total Hope OLD, Frederic Wandres (GER/75,942 %) mit Bluetooth OLD und Carl Hester (GBR/76,383 %) mit Fame. Um das Drama noch zu verstärken, setzte ein starker Nieselregen ein.
Justin Verboomen & der barhufe Zonik Plus legen vor
Dann kamen Justin Verboomen (BEL) und der neunjährige Zonik Plus. Für beide ist die Europameisterschaft in Crozet das erste richtige Championat. Einzig bei der Weltmeisterschaft der jungen Pferde 2022 in Ermelo schnupperten sie Championats-Luft. In den kommenden zwei Jahren waren das Duo von der internationalen Turnierbühne verschwunden, bis sie dann im November 2024 in der Königsklasse debütierten. Es folgte ein kometenhafter Aufstieg: Weltcup-Grand-Prix-Sieg in Mechelen, zwei Siege beim CDI4* in Lier. In Aachen knackten der 38-jährige und sein Zonik-Nachkomme erstmals die 80 %-Marke im Grand Prix. Was war also in Crozet möglich?
Die Anspannung war riesig. Justin Verboomen hatte die Möglichkeit vorzulegen. Cathrine Dufour und Isabell Werth müssten dann nachziehen. Und dem belgischen Duo gelang eine makellose Runde. Insgesamt sechsmal zückten die Richter:innen die 10,0, für die beiden Pirouetten, sowie die Schlusslinie mit Passage-Piaffe-Passage. Bemerkenswert: Der Hannoveraner-Hengst ist Barhufer. Was in der Weltspitze im Springlager bereits Gang und Gebe ist, ist in der Dressur ein absolutes Novum. Doch Zonik Plus dürfte es Aufwind geben! Am Ende gab es 82,371 % – wobei die Richter:innen zwischen 78,936 und 85,638 % vergaben.


Isabell Werth mit Wendy & Bronze zufrieden
Im lauten Jubel für Justin Verboomen musste Isabell Werth mit ihrer Wendy de Fontaine einreiten. Die elfjährige Sezuan-Tochter wollte erst nicht ins Stadion, ließ sich jedoch rasch überzeugen. In der Aufgabe gelangen die meisten Lektionen, Abzüge gab es für den knappen Schritt und die fehlerhaften Einerwechsel-Linien: 79,027 %. Damit platzierten sich die beiden nur knapp vor Teamkollegin Katharina Hemmer. Die Bronzene winkte & sollte Wirklichkeit werden: „Ich bin sehr zufrieden. Auch wenn es ungewöhnlich ist, wenn ich einmal mit einem dritten Platz happy bin. Aber ich weiß wo wir aktuell stehen.“, sagte Isabell Werth später im Interview.


Fehler kostet Cathrine Dufour die Goldene
Als vorletztes Paar wurden Cathrine Laudrup-Dufour und Mount St John Freestyle erwartet. Wie Trainerin Kyra Kyrklund später bestätigte: Die Hannoveraner-Stute war in absoluter Top-Form, noch besser als am Donnerstag im Grand Prix. Das Duo startete in die Aufgabe und der Zwischenscore beeindruckte: 85 % . 10,0 für die Passage von Freestyle. Die Trabtour war atemberaubend. Nach dem versammelten Schritt und der Piaffe aus dem Schritt wurde es noch eine Schippe spannender: Nur mehr 82 % standen am Leaderboard – immer wieder der Wechsel zwischen Rang eins und Rang zwei.



Dann Galopp. Die Zweierwechsel gelangen fließend und ohne Fehler: 9,0. Danach die Einerwechsel – und da passierte es. Nach ca. zehn Einern kam es zum Missverständnis und Freestyle wechselte nicht mehr. Das kostete! Der Score ratterte auf 80 % herab. Gold war nun nahezu unerreichbar, wackelte auch noch die Silberne? Doch Cathrine Dufour behielt die Nerven, genoss den weiteren Ritt sichtlich – ein großes Grinsen in den Pirouetten zierte ihr Gesicht – und erhielt für die Passage auf der Mittellinie wieder die 10,0. Mit 81,687 % sicherte sich die frischgebackene Mutter (Anmk.: gemeinsam mit Ehepartnerin Rasmine) die Silbermedaille. Drei der Richter:innen hätte ihr gerne Gold überreicht, vier sahen sie auf Platz zwei und das Podium stand fest! Denn Schlussreiterin Dinja van Liere (NED) und ihr Hermes N.O.P. hatten nur theoretische Chancen. Sie beendete die Prüfung mit 75,486 % auf Platz acht.




Sonntag: Musikkür der Top-18
Die besten 18 Reiter-Pferd-Paare des Grand Prix Special qualifizieren sich für die Grand Prix Musikkkür am Sonntag. Wenn es bis dahin keine Ausfälle geben sollte, sind das alle bis Nicolas Wagner-Ehlinger (LUX) auf Rang 19. Warum der 19., wenn nur die besten 18 ins Finale dürfen? Weil Ingrid Klimke (GER) als 16. aufgrund der „Maximal-Drei-Reiter-Pro-Nation-Regel“ als vierte deutsche Reiterin nicht teilnehmen darf.
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