Ich gebe es zu. Ich bin nicht geschaffen für den Geländetag der Vielseitigkeit. Meine Nerven liegen schon jedesmal, wenn ein Pferd stolpert blank. Ganz zu schweigen bei Stürzen. Gott sei Dank ist keinem der Fünf, die hier bei den Olympischen Spielen in Deodoro zu Fall kamen, etwas Grobes passiert.
19 Kilometer bin ich an dem Cross-Tag gewandert. Vom Zimmer zum Frühstück, vom Frühstück zum Bus, vom Bus zum Pressoffice, vom Pressoffice zum ersten Training im Field of Play, vom Field of Play zum Pressoffice, vom Pressoffice ins Gelände, von Hindernis zu Hindernis, vom Gelände ins Pressoffice, vom Pressoffice zum Vetcheck, vom Vetcheck zum Pressoffice, vom Pressoffice zum Bus, vom Bus zur Unterkunft. Das Kaffee-Holen hab ich nicht mitgerechnet. 😉
Gestern bin ich weniger gegangen, dafür habe ich sicher beim Mitzittern Kalorien verbraucht. Beide Medaillen-Entscheidungen in der Vielseitigkeit waren ein Krimi und unheimlich emotional. So hautnah dabei zu sein, das hat schon was. Von der Pressetribüne ist der Ausblick fantastisch und vor allem lässt es sich hier komfortabel arbeiten. Man hat seinen eigenen Laptop, das schnelle LAN-Kabel (das um die 170 US Dollar wohlgemerkt, ihr erinnert Euch? Siehe 1. Blogbeitrag) und einen externen Bildschirm auf den man die TV-Übertragung geliefert bekommt. Klasse!
Der Montag war übrigens ein guter Tag, denn – man höre und staune – es gibt nun Obst zum Frühstück UND: das Obst hat es auch in den Presseraum geschafft! Ich muss aber zugeben, dass ich mich der Hilfe meiner lieben Kollegin Monika Schaaf bediente. Denn sie bekommt es irgendwie immer hin, alles hineinzuschmuggeln. Ein nettes Lächeln, ein liebliches ‘good morning’, die Jacke schnell mal über den Obstsack gelegt und drin sind die Dinger. Wahrscheinlich muss ich an meiner Ausstrahlung arbeiten, denn das ist mir noch an keinem Tag gelungen.
Herzlich gelacht haben wir am Montagabend alle, denn da wurde in der Hauptarena schon mal die Medaillenvergabe geübt. Alle Kameras waren positioniert, auf den Bildschirmen liefen die Einspielungen zu Gold, Silber und Bronze, der Sprecher kündigte die ersten Drei an und auch die Medaillenträger waren da. Wie das geht? Ganz einfach: ihre Rollen und Plätze wurden von einigen der freiwilligen Helfer eingenommen und da wurde alles geübt. Aufs Podium steigen, verbeugen, lächeln, winken, die Medaillen entgegen nehmen – sie hatten einen Heidenspaß. Wir eben auch – eine willkommene Aufheiterung unseres stressigen Journalistentages hier in Rio.
Geübt für den Geländetag hat man auch im Cross. Quads nahmen die Rolle der Pferde ein, damit die Ordner üben konnten ihre Trillerpfeifen rechtzeitig zu pfeifen. Ein ohrbetäubender Lärm übrigens, der aber Sinn macht, damit man im Eifer des Gefechts kein herannahendes Pferd übersieht.
Bananenklau und Caipirinhatraum
Der Montag war übrigens ein schlechter Tag, denn erst hat mir der Security wieder mal mein Obst rausgeklaubt, dann habe ich meinen Kaffee über die Tastatur, das Handy und meine Tasche geschüttet – Gott sei Dank nichts kaputt – und zu guter Letzt hat meine Festplatte beschlossen nicht mehr zu funktionieren. Das böse Ding hat sich aber dann besonnen und nach Beratung von der UPPERCUT homebase, Akkuausbau und Neustart beschlossen doch lieber wieder zu funktionieren. Sozusagen als Ausgleich bin ich dann am Abend zum ersten Mal an der ‘Bar’ in unserer Kasernenunterkunft gewesen. Dort gab es einen brasilianischen Abend, mit passenden Speisen und vor allem: Caipirinha!
Ernst Kopica und ich haben als ‘Spione’ der anderen Kollegen den Test gewagt und waren begeistert! Na endlich, wird sich meine werte Leserschaft denken, schreibt sie mal was Positives.
Leuteeeeee, wir haben ein Schloss!
Nein kein Schloss, in dem man wohnen kann. Aber wenn ich schon beim Positiven bin, gehört auch das erzählt, denn es gibt was Neues in Sachen WC-Geschichten. 🙂 Viele Tage hatten wir weiblichen Journalisten ein heißes Thema: die Toiletten. Nun liegt es mir generell fern von diesem geheimsten aller Örtchen zu schreiben, doch die Zustände beschäftigten uns wirklich. Der Grund? Am ersten Tag schwamm man fast davon, sobald man den Abzug betätigte, dann schaffte man es die Dinger abzudichten. Doch mit der Trockenlegung folgte die ‘grenzgeniale’ Idee eines Verbesserungswütigen uns eine große Pappschachtel zur Müllentsorgung hineinzustellen, was definitiv ein arges Platzproblem in dem eh schon engen Kabäuschen auslöste. Zusätzlich musste man parallel zum ‘Geschäft’ versuchen irgendwie die Türe zuzuhalten und das wiederum funktionierte am besten mit dem Kopf. Wer jetzt schlimme Bilder sieht – ich kann nichts dafür. Die ganze Verrenkerei wurde nur deshalb notwendig, weil es an den Blechtüren keine Riegel gab. Am Dienstag hatten wir dann den ‘Wow-Effekt’: irgendjemand hatte Schlitze in die Türen geschnitten – zwar etwas rudimentär, aber immerhin – wir haben endlich Türen, die man schließen kann. Welch Luxus!
Big brother is watching you
Was hier in Rio auch ziemlich cool aussieht ist das Main Press Office. Ein Riesenkomplex mit Platz für hunderte Journalisten aus aller Welt. Auf mehreren Etagen gibt es Arbeitsplätze und Support. Sogar die Kameras können die Fotografen checken oder auch richten lassen. Auf diese wertvollen Dinger aufzupassen wie ein Luchs, lohnt sich hier nicht nur in Sachen Service.
Erst vorgestern wurden Kollegen wieder bestohlen. Diesmal eine Ausrüstung im Wert von Euro 30.000 und frech aus dem Busshuttle heraus, in dem man ja nur mit Akkreditierung darf. Bei der Polizei meinte man, dass das schon mal vorgekommen sei und auf die Frage warum wir nicht gewarnt werden, hieß es lapidar, dass man keine Hysterie verbreiten wollte.
Hysterie? Da können wir ja nur lachen. Wir haben den Einschuss in unser Pressezelt verkraftet, eine Bombendrohung samt Koffersprengung hingenommen, ausgeraubten oder bedrohten Kollegen beigestanden und da sollen wir hysterisch sein?! Der Fall mit der 5,56 Millimeter Kugel in unserem Pressoffice hat übrigens sogar den brasilianischen Verteidigungsminister beschäftigt. Die Kugel kommt laut dessen Aussagen sicher aus einem Maschinengewehr, das wiederum fast sicher aus einer der umliegenden Favelas abgeschossen wurde. Und das wiederum weil dort wohl wahrscheinlich jemand auf eine der Drohnen geschossen hat, die offensichtlich die Favelas überwachen.
Big brother is watching you…
Grüße aus Rio
Eure RMB
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