Der bevorstehende 90. Geburtstag von Queen Elizabeth II. wird nicht nur für Großbritannien ein ganz spezielles Ereignis sein: Seit mehr als einem Jahr laufen die Planungen und Vorbereitungen auf Hochtouren – und weil ein einzelner Event dafür bei weitem nicht ausreicht, werden die Feierlichkeiten auf mehrere Großereignisse aufgeteilt. Offiziell feiert die Queen ihren 90er zwar am 21. April 2016 – gefeiert wird aber stets später, und das wird auch diesmal so sein.
Das erste große Geburtstags-Spektakel findet von 12.–15. Mai bei Schloss Windsor statt – ein vier Tage dauerndes riesiges Fest mit 1.500 Künstlern, Schauspielern, Musikern und Tänzern und einer Parade mit 900 (!) Pferden. Die 25.000 Karten für den Event waren übrigens innerhalb von fünf Stunden ausverkauft. Zum Abschluss wird es ein gigantisches Picknick an der berühmten Mall geben.
Die nächste Etappe der Feierlichkeiten findet von 10.–12. Juni statt – mit großen Gottesdienst in der St. Paul’s Cathedral und der Birthday-Parade, auch ,Trooping the colour’ genannt, auf dem Horse Guards Parade in London, und auch da sind wieder rund 200 Pferde mit dabei.
Eine lebenslange Liebe – die Queen und die Pferde
Queen Elizabeth II, ihr Ehemann Prinz Philip (The Duke of Edinburgh) und nahezu alle Mitglieder des Hauses Windsor sind „natürlich“ bekennende Pferdenarren und sind oder waren zum Teil hervorragende Reiter. Schon als junge Prinzessinnen waren Elizabeth und Schwester Margaret als talentierte Reiterinnen an der Seite ihrer Eltern aufgefallen; sogar an Fahrsportbewerben nahmen sie erfolgreich teil, immer mit Ponys.
Prinz Charles und seine Schwester Anne waren unter den Kindern des königlichen Paares vermutlich die talentiertesten, jedenfalls die eifrigsten und erfolgreichsten Pferdesportler. Charles spielte, wie auch sein Vater Philip, hervorragend und international erfolgreich Polo. Er kann einen Viererzug lenken und ritt früher begeistert zur Fuchsjagd. Prinzessin Anne bewies im Sattel großes Talent und wurde eine sehr erfolgreiche Vielseitigkeitsreiterin; ihr größter Erfolg war der Sieg bei der Europameisterschaft in Burghley 1971.
Die Prinzen William und Harry sind gute Polospieler und Jagdreiter, während Zara Phillips, Tochter von Prinzessin Anne und Captain Mark Phillips, ihrer Mutter nacheifert und heute ebenfalls zur internationalen Spitze in der Vielseitigkeit gehört. Inzwischen ist es etwas ruhiger um das vormalige It-Girl der britischen Reiter-Szene geworden, die mit einem bürgerlichen Ball-Sportler mittlerweile eine Familie gegründet hat. Prinz Philip hat das Polospiel längst aufgeben müssen, nimmt aber bis ins hohe Alter an Fahrturnieren teil – mit einem Gespann gelassener Fell Ponys, nachdem er schon etwas früher die weit temperamentvolleren Holsteiner aufgab.
Alle Mitglieder des Hauses Windsor begannen ihre reiterlichen Laufbahnen im Sattel verlässlicher, bestens ausgebildeter Ponys verschiedener Rassen. Auch Haflinger aus der Steiermark sind seit dem legendären Staatsbesuch im Jahr 1969 Bewohner der Stallungen, allerdings im schottischen Sommersitz Balmoral, wo sie als Kutsch-und Packpferde genützt werden.
Das familieneigene Gestüt beim Landsitz Sandringham beherbergt die inzwischen geschrumpfte Vollblut-Zucht der Queen, die als Pedigree-Expertin ersten Ranges gilt. Ihre Ambitionen wurden allerdings durch die enormen Investitionen der Öl-Scheichs etwas gedämpft, die den Rennsport auf ein derart kostenverachtendes Niveau hoben, dass selbst die reichste Frau Großbritanniens nicht mithalten konnte oder wollte. Somit blieb der heiß ersehnte Derby-Sieg bisher ein Wunschtraum… Mit den Vollblütern und Arabern, Achal-Tekkinern und ähnlichen „geschenkten Gäulen“ (vielfach Staatsgeschenke) wurden jedoch zahlreiche sehr gute Vielseitigkeits- und Fahrpferde sowie Poloponys gezogen, die wiederum oft innerhalb der Familie benützt wurden.
Einige Royals stehen diversen Sport- und Zuchtorganisationen als Ehrenpräsidenten vor und haben somit eine wichtige Vorbildfunktion inne. Eine spektakuläre Rettung gelang der Queen durch den Kauf des Cleveland-Hengstes Mulgrave Supreme, der Richtung USA zu verschwinden drohte. Damit wäre diese uralte englische Rasse verloren gewesen, doch Queen Elizabeth sprang ein und erhielt ihrem Land und den wenigen Züchtern den Spitzenbeschäler.
Prinz Philip fördert besonders die sogenannten Mounted Games, also die Reiterspiele für Jugendliche auf Ponys, die in GB eine lange Tradition haben. Alljährlich findet bei der Royal Windsor Horse Show das Finale des von ihm ausgeschriebenen und daher nach ihm benannten Prince Philip Cups statt, in dem die Auswahlmannschaften aus England, Schottland, Wales, Nordirland und der Republik Irland aufeinander treffen und einander packende Kämpfe liefern.
Queen Elizabeth gilt als eine profunde Kennerinnen von Pferdesport und Zucht auf den britischen Inseln. Sie erscheint alljährlich bei der Windsor Show, die quasi in ihrem Garten stattfindet, oft begleitet von weiteren Royals. Heuer werden zu Ehren ihres 90ers in Windsor spektakuläre Ereignisse stattfinden, so etwa der Auftritt einer chilenischen Gaucho-Truppe und natürlich das traditionelle Karussell der berittenen Truppen. Auch die kostbaren Mail-Coaches werden sich wieder auf die romantische Rundfahrt durch den Great Park begeben, einschließlich der Coach der Queen… auch wir wünschen zu all dem Happy Birthday!
Hintergrund: Pferdeland mit Tradition
Großbritannien hat in vielerlei Hinsicht neben der sportlichen auch die uralte kulturhistorische Bindung zum Pferd bewahrt. Es gibt berittene Traditionsregimenter (Horseguards, King’s Troop), das Amt des Hofmarschalls und einige Marställe und Remisen, eine berittene Polizei und nicht zuletzt die traditionelle Begeisterung des Königshauses für alles, was mit Pferden, Pferdesport und Zucht zu tun hat. König George VI (1895-1952) und seine Gemahlin Elizabeth waren erfahrene Pferdeleute; die später als Queen Mum bekannte und beliebte Königin-Mutter besaß Zeit ihres langen Lebens zahlreiche und erfolgreiche Rennpferde. Die Pferdeliebe des Königshauses lässt sich bis zur Zeit Heinrich des Achten zurück verfolgen, der vermutlich die eigenen Ehefrauen weniger schätzte als ein gutes Ross… unter ihm und seiner Tochter, Elizabeth I, begann die große Zeit der britischen Pferdezucht unter royaler Patronanz.
Quelle: Martin Haller