BB | Blog – Ich starte heute diesen Blog weil ich euch von meinem ganz persönlichen “Abenteuer Offenstall” berichten möchte. Es hat im Juli 2016 begonnen und geht nun in eine neue Phase. Das hat mich zu diesem Blog inspiriert. Aber der Reihe nach: Im Juni 2016 entschloss ich mich meinen damals 12-jährigen Wallach, der Zeit seines Lebens ein unkompliziertes, in Dressur, Springen und Ausreiten ausgebildetes Freizeitpferd war und ist, ganz in meiner Nähe in einem privaten Offenstall mit fünf Pferden unterzubringen.
Brösel (so heißt er wirklich, aber das ist definitiv eine andere Geschichte) war bis zu diesem Zeitpunkt eigentlich immer in einer großen Fenster- oder Paddockbox mit täglichem, mehrstündigem Koppelgang in der Herde untergebracht. Die Entscheidung zum Offenstall war definitiv nicht der Tatsache geschuldet, dass er in seiner Paddockbox nicht gut aufgehoben gewesen wäre. Sie hatte zum damaligen Zeitpunkt organisatorische Gründe und war ehrlicherweise zum Teil auch einem chronischen Zeitmangel geschuldet. Mit einem Vollzeitjob, zwei Kindern, zwei Hunden und einem Haushalt stand immer öfter irgendetwas zwischen mir und dem geplanten Stallbesuch. Meine Hoffnung war, dass sich mein schlechtes Gewissen irgendwann in Grenzen halten würde, wenn ich es nicht täglich in den Stall schaffe. Denn bei mir beginnt der Stress definitiv im Kopf!
Langer Rede, kurzer Sinn: Wir übersiedelten im Juli 2016 in den Offenstall. Mein Wallach war Zeit seines Lebens sehr verträglich mit anderen Pferden und ich machte mir keine allzu großen Sorgen, dass er sich nicht in die Herde integrieren würde.
Erkenntnis Nr. 01: Mein Pferd braucht mich als “Fixpunkt”
Zu Beginn und zur Eingewöhnung bekam er lediglich einen Offenstallpartner zugewiesen, ein Kaltblut, das auch als sehr verträglich galt. Die beiden hatten einen geschlossenen Unterstand mit zwei Ausgängen zur Verfügung, einen großen, drainagierten Außenbereich und je nach Wetter noch eine Wiese. Alles sah zu Beginn gut aus, Amos und Brösel verstanden sich recht gut. Womit ich allerdings nicht gerechnet hatte, war die Tatsache, dass mein Pferd mit so viel Freiheit komplett überfordert war. Er wirkte regelrecht verloren und zeitweise sogar gestresst. Unsere Offenstallzeit begann also damit, dass ich viele Wochen lang wirklich täglich Zeit finden musste, um nach ihm zu sehen, damit er wenigstens einen „Fixpunkt“ in seinem Leben hatte. Zum Glück sind es nur 3 Minuten Fahrzeit mit dem Auto und daher war das auch irgendwie machbar. Ich schwöre, er hat davor und danach nie wieder so viel gewiehert wenn ich zu ihm kam :-))))
Erkenntnis Nr. 02: Mein Pferd ist ein Gewohnheitstier
Meine Erklärung für diese – für mich unvorhergesehene – Entwicklung war die, dass seine Tage bis zur Übersiedlung in den Offenstall IMMER eine regelmäßige und vorgegebene Struktur hatten, die ungefähr so ablief: Morgenfutter, Reiten, Koppel, Mittagsfutter, relaxen, meistens noch einmal Koppel und abends wieder Futter. Das lief jeden Tag gleich ab und hat eigentlich keinen Platz gelassen für Entscheidungsfreiheit. Nun änderte sich von einem Tag auf den anderen sein Alltag komplett, denn die vorgegebene Struktur fehlte! Brösel hatte plötzlich 24 Stunden am Tag die Freiheit, zu entscheiden, ob er fressen, in der Sonne stehen, sich in den Stall zurückziehen oder Sozialkontakte pflegen wollte. Das hat ihn augenscheinlich einfach überfordert und mir nach so vielen Jahren mit Pferden ganz neue Erfahrungen beschert.
Erkenntnis Nr. 03: Mein Stall gehört mir
Eine weitere unvorhergesehene Erfahrung in unserem „Abenteuer Offenstall“ war dann, dass er mit der Tatsache nicht zurechtkam, keinen Stallbereich für sich alleine zu haben. Er ging lediglich ganz kurz zum Trinken in den Stall, legte sich aber niemals hin und ließ sich von seinem – eigentlich friedlichen – Offenstallgefährten total unterdrücken. Schlußendlich endete das dann in einer gegenseitigen Antipathie. Da unsere “Vermieter” durch und durch “Pferdemenschen” sind und jahrelange Erfahrung haben, reagierten sie aber sofort. Statt eine Offenstallherde mit vier Pferden zu haben (einer der fünf Pferde hatte seit jeher einen eigenen Stallbereich, da er leider keinen Wert auf Partnerschaft legt und dies auch deutlich macht!), bekam Brösel einen Stallbereich für sich alleine, während die drei Kumpels nebenan unter sich blieben. Auf der Koppel gab es weiterhin kein Problem, aber die Idee mit dem gemeinsamen Stallbereich verschoben wir kurzerhand auf unbestimmte Zeit.
VORSCHAU
Nun ist ein gutes Jahr vergangen und ich habe den Umzug keinen einzigen Tag bereut. Es ist offensichtlich, dass Brösel auch glücklich und zufrieden ist, wenn ich ihn nicht täglich mit meiner Awesenheit beehre. Nichtsdestotrotz nimmt er es mir aber übel wenn ich es manchmal eine ganze Woche lang nicht in den Stall schaffe. Wie fast immer im Leben, ist also die goldene Mitte gefragt. Pferd lässt sich eben nicht einfach “in die Freiheit abschieben” :-))). Am kommenden Wochenende (10.09.) startet nun ein neuer Abschnitt in unserem „Abenteuer Offenstall“, denn Brösel soll einen Stallpartner bekommen. Da eines der Pferde unserer “Dreierbande” mit über 30 Jahren im Frühjahr eingeschläfert werden musste, wird nun ein neues Pferd einziehen. Wir hoffen von ganzem Herzen, dass Brösel jetzt so weit ist, seinen Stallbereich zu teilen ohne Panik zu bekommen. ….und wenn sich alles gut entwickelt, beginnen wir vielleicht wieder den Traum einer „Viererbande“ zu träumen…
Ich möchte hier zum Abschluss dezidiert darauf hinweisen, dass dieser Blog mein persönlicher Erfahrungsbericht ist und in keinster Weise eine Anleitung darstellt. Auch möchte ich nicht den Eindruck erwecken, dass die EQWO.net Redaktion die Offenstallhaltung als einzig richtige Art der Haltung verherrlichen oder anpreisen möchten. Es gibt überall Vor- und Nachteile und ich bin überzeugt, dass für jeden Pferdebesitzer das Wohlergehen seines vierbeinigen Partners oberste Priorität hat.
Ich halte euch auf dem Laufenden, wie es Brösel mit seinem neuen Freund ergangen ist und freue mich über Erfahrungen, Fragen und Anregungen via facebook, Instagram oder per Mail an media@eqwo.net.
Drückt uns die Daumen bitte.
Alles Liebe,
Eure Bettina