Dressur – Mit den beiden olympischen und drei EM-Goldmedaillen der letzten acht Monaten sind Jessica von Bredow-Werndl und TSF Dalera BB heiße Favoriten auf den FEI Dressage World Cup™-Titel in zwei Wochen auf heimischem Boden in Leipzig (GER). Im FEI-Interview sprach sie über ihr Erfolgskonzept, die Bedeutung von den richtigen Trainern und wie sie als bald zweifache Mutter alles unter einen Hut bekommt.
Zuletzt feierte Jessica von Bredow-Werndl (GER) mit ihrer Ausnahme-Stute TSF Dalera BB zwei Weltcupsiege in Neumünster und s’Hertogenbosch, beim CDI3* in Ornago dirigierte sie den 13-jährigen Ferdinand zum Sieg im Grand Prix. Gleichzeitig konnte ihr Schüler und Bereiter alle drei U25-Prüfungen gewinnen. Was steckt hinter dem Erfolgskonzept “Aubenhausen” und wie schafft die Doppelolympiasiegerin den Spagat zwischen Arbeit und baldiger zweifach-Mama? Im FEI-Interview sprach sie über all das und wieso sie sich für die Zukunft nicht festlegt:
“Natürlich muss man eine klare Vision haben und sich Ziele setzen, aber in den letzten 20 Jahren gab es Zeiten, in denen ich nicht mehr an mich geglaubt habe. Aber ich habe immer versucht, mich selbst zu pushen, und ich habe an meinen Träumen festgehalten und gehofft, dass die Gelegenheiten kommen würden”, erklärte die 36-Jährige Süddeutsche, die aktuell die Weltrangliste der Dressur anführt.
Schlüssel zum Erfolg
Jessica sagte, der Schlüssel zu ihrem Erfolg sei die Entscheidung gewesen, “nicht mehr zu versuchen, jemand anderes zu sein”. Im Alter von 19 Jahren hatte sie bereits sechs Gold- und zwei Silbermedaillen bei Europameisterschaften gewonnen, doch mit Anfang 20 ging alles schief: “Ich hatte einige schwierige Jahre, in denen ich kaum Erfolg hatte und mich sehr abmühte. Ich bin davor schon viele Male Junioren- und Junge-Reiter-Meisterin geworden, also träumte ich davon, es bei den Senioren auch zu schaffen. Aber mehr als fünf Jahre lang passierte das nicht”, sagt sie.
Es war ein Moment, in dem ihr ein Licht aufging und sie beschloss, einfach “mehr Jessica zu sein”, der alles veränderte.
“Ich hörte auf, andere Reiter zu imitieren, und konzentrierte mich darauf, die Dinge auf meine Weise zu tun – so, wie ich es immer gerne getan habe, zurück zu dem kleinen Mädchen, das gerne mit seinen Pferden spielte. Die Pferde fingen an, es mehr zu genießen, und ich möchte diese Freude nie wieder verlieren!”, erklärt sie.
Sie bezeichnet es selbst als großer Glücksfall, dass Beatrice Bürchler-Keller ihr 2012 Unee BB anvertraut hat. Es war das Pferd, das ihr Leben verändern sollte. 2015 gehörte das Paar zum Bronzemedaillenteam bei den FEI-Europameisterschaften in Aachen (GER) und wurde im selben Jahr Dritter bei drei FEI Dressage World Cup™ Finals in Las Vegas (USA), 2016 in Göteborg (SWE) und 2018 in Paris (FRA).
“Unee war einer der wichtigsten Lehrer für mich”, sagt Jessica. “Als er ankam, war er nicht an mir interessiert, also musste ich einen Weg finden, mich für ihn interessant zu machen. Er war fast reif für den Grand Prix, als ich ihn bekam, und ich wollte unbedingt sein Herz gewinnen, aber ich konnte es nicht so machen wie früher, weil ich immer mit den Pferden aufgewachsen bin, die ich vorher geritten hatte. Er wusste bereits, was er tat, und hatte seine eigene Art, also musste ich seine Sprache lernen, bevor wir beide eine gemeinsame Sprache lernen konnten. Ich habe gelernt, dass es nicht nur darum geht, dass das Pferd die Dinge auf meine Art macht, sondern dass es darum geht, das Beste für jedes einzelne Pferd zu tun und flexibler zu sein”.
Top-Trainer
Auf ihrem Weg arbeitete sie mit vielen Top-Trainern zusammen, darunter Paul Elzenbaumer, “ein sehr geduldiger, liebevoller und ruhiger Mann”, dann Stefan Münch, Landsfrau Isabell Werth (GER), die mit Weihegold ihren Titel beim Finale 2022 verteidigen wird, dann Jonny Hilberath, Morten Thomsen, Andreas Hausberger und Monica Theodorescu. “Ich habe aber immer meine eigenen Ideen und verlasse mich auch auf meinen Bruder Benni (Benjamin Werndl), der sehr wichtig für mich ist – unser Ziel ist es, eines Tages gemeinsam in der deutschen Mannschaft zu sein”, betont Jessica.
Aktuell dreht sich ihre Karriere natürlich um die brillante 15-jährige TSF Dalera BB: “Als sie 10 Jahre alt war und wir das Louisdor-Finale in Frankfurt gewannen, wurde mir klar, dass sie etwas ganz Besonderes sein könnte, und als sie 2019 (Anmk: bei den FEI-Europameisterschaften in Rotterdam) Dritte in der Kür wurde, war das der Tag, an dem ich dachte, alles ist möglich. Zwei Jahre später (Anmk: bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio und den FEI Dressur-Europameisterschaften in Hagen) haben wir es dann bewiesen!”
Und Jessica ist davon überzeugt, dass Dalera noch nicht am Limit ihres Könnens ist: “Ich habe das Gefühl, dass sie noch mehr geben kann, und wenn ich das Viereck betrete, weiß ich immer, dass sie sich anstrengen und ihr Bestes geben wird. Ich glaube, sie liebt mich und das Leben, das sie führt. Sie liebt das Reisen und ist ein echtes Showgirl! Aber wir beide genießen es genauso sehr, durch den Wald zu galoppieren, wie an Turnieren teilzunehmen. Dafür ist sie dankbar, und ich bin es auch”.
Viele Talente
Jessica ist eine Frau mit vielen Talenten. Während des Corona-Lockdowns schrieb sie ein Buch – “Das Glück der Erde” – über ihr Leben, ihre Kämpfe, ihre Inspiration und ihre Positivität, und sie arbeitet derzeit an einer zweiten Veröffentlichung, einem Kinderbuch. Sie erzählt von einer Nahtoderfahrung, bei der sie fast ertrunken wäre, habe ihre Sicht auf das Leben verändert und ihr geholfen, nachdenklicher zu werden und nach vorne zu schauen. Ihr neuestes Buch soll “eine schöne Geschichte sein, bei der man viel lernen kann”.
Ihr fünfjähriger Sohn Moritz ist vielleicht noch etwas zu jung, um es zu lesen, denn es richtet sich an Kinder ab 10 Jahren. Moritz reiste mit ihr nach Ornago (ITA), und es war das erste Wochenende, an dem Jessica ohne die Unterstützung ihres Mannes oder ihrer Eltern auskam, aber dank der Hilfe von Pferdepflegern und Reitern hat es gut geklappt. Mit einem weiteren Baby, das im August zur Welt kommen soll und damit jede Chance auf den Weltmeistertitel zunichte macht, weiß sie, dass sie in Zukunft noch mehr zu tun haben wird. “Ich muss mein Leben noch besser managen und werde sicher mehr Hilfe brauchen. Es ist wirklich wichtig, eine gute Work-Life-Balance zu haben”, sagt sie. Dennoch will sie nach der Geburt von Baby Nummer zwei so schnell wie möglich wieder an den Start gehen. “Ich habe vier Wochen nach der Geburt meines ersten Sohnes an Wettkämpfen teilgenommen, hoffentlich schaffe ich das wieder”, sagte sie lachend.
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Quelle: Instagram/ jessica_von_bredow_werndl
Im Moment aber gilt ihre volle Aufmerksamkeit dem Finale des FEI Dressage World Cup™ 2022. Für Dalera wird die Vorbereitung sehr einfach gehalten – “nichts Besonderes, sie muss nur motiviert, gesund und glücklich bleiben, im Wald reiten und wenn das Wetter gut ist, auf die Galoppbahn gehen”, erklärt sie.
Und was ihre eigene Vorbereitung betrifft, so wird sie sich auf den Grund konzentrieren, warum sie tut, was sie tut. “Manchmal müssen wir uns daran erinnern, warum wir mit dem Sport angefangen haben – weil wir Pferde lieben. Viele Leute konzentrieren sich zu sehr auf das Ergebnis – den Erfolg – und nicht darauf, wie man dorthin kommt. Ich versuche, mich auf den Weg dorthin zu konzentrieren und nicht auf das Ergebnis”.
Mehr so zu sein, wie man ist – das scheint zu funktionieren…
Weiterführende Links:
>> “s’Hertogenbosch: Jessica von Bredow-Werndl und Dalera tanzen zum Sieg in der Weltcup-Kür”, 13.3.2022
>> “Neumünster: > 90% für Jessica von Bredow-Werndl & Dalera, Dufour ex aequo Weltcup-Führende”, 21.2.2022
>> FEI Database: Jessica von Bredow-Werndl
>> FEI Weltcup Finale
>> Instagram Jessica von Bredow-Werndl
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