Der letzte Applaus für einen Gentleman
Dressur – Es gibt Begegnungen im Leben, die sich leise ereignen – und die dennoch alles verändern. Die einen selbst lehren, was wahre Eleganz bedeutet, was Beständigkeit ist in einer flüchtigen Welt, was es heißt, einer Leidenschaft mit ganzem Herzen zu folgen. Toni Meggle schenkte all jenen, die das Privileg hatten, ihm zu begegnen, genau diese Lektionen. Gestern, am 30. Oktober 2025, ist dieser außergewöhnliche Mann von uns gegangen, und mit ihm endet ein Kapitel, eines, das es Wert ist, aufzuschlagen und innezuhalten.
Ein Nachruf von Ruth M. Büchlmann
Als zwei Welten zueinander fanden
Es war im Jahr 2011, als die Amadeus Horse Indoors nach Menschen suchte, die mehr sein würden als „bloße Geldgeber.“ Nach Menschen, die verstanden, dass Pferdesport keine bloße Kulisse ist, sondern Poesie in Bewegung, die zu zeigen auch von Veranstaltern Hingabe fordert.
Toni und Marina Meggle erkannten das. Sie gehörten zu denen, die ihre Zusage gaben, das Sponsoring für die Dressur zu übernehmen. Doch was sie wirklich gaben, war weit mehr als finanzielle Unterstützung: Sie schenkten ihre Präsenz, ihre Aufmerksamkeit, ihre Treue. Fast zwei Jahrzehnte lang. In einer Welt, die im Quartalstakt denkt, ist solche Beständigkeit nicht nur selten – sie ist revolutionär.

Die Kunst des aufmerksamen Zusehens
Wer Toni Meggle je beim Grand Prix Special beobachten durfte, erlebte einen Mann in tiefer Versunkenheit. Kein beiläufiges Hingucken, kein mondänes Geplauder während der Prüfung. Nein, hier saß jemand, der jede Piaffe las wie ein Kenner einen kostbaren Text, der jede Passage mit dem inneren Taktgefühl dessen verfolgte, der selbst weiß, wie schwer Leichtigkeit zu erreichen ist.
Fast jedes Jahr hatten Toni und Marina Meggle ein eigenes Pferd am Start. Dann wurde aus sportlichem Interesse persönliches Mitfiebern. Doch selbst in diesen Momenten bewahrte Toni jene ruhige Würde, die ihn auszeichnete – die Haltung eines Mannes, der gelernt hatte, dass wahre Größe sich in Gelassenheit zeigt, nicht in Lautstärke.
Und im Beobachten dieses außergewöhnlichen Mannes wurde mir klar: Seine Liebe zu den Pferden war von der seltenen Qualität, die nicht besitzen will, sondern bewundern. Die nicht dominieren möchte, sondern verstehen. Eine Liebe, die aus Respekt geboren ist – eine Liebe zu dem wunderbaren Geschöpf „Pferd“, die ihn auch mit seiner Gattin Marina verband.

Eleganz als Lebenshaltung
Es gibt Menschen, die sich elegant kleiden. Und es gibt Menschen, die Eleganz sind. Toni und Marina Meggle gehörten zur zweiten Kategorie. Jahr für Jahr erschienen sie – immer tadellos gekleidet, doch nie prätentiös. Ihr Stil war unique, weil er zwar der Mode folgte, jedoch vor allem innerer Haltung entsprang. Marina ist eine Dame – ihre ganze Ausstrahlung nimmt Menschen ein. Toni war ein Sir, ein Gentleman, dessen Höflichkeit niemals Fassade war, sondern Ausdruck eines Weltbildes, in dem Wertschätzung keine Strategie ist, sondern Selbstverständlichkeit.

Die Zeit, die uns geschenkt wurde
Gemeinsam verkörperten sie etwas, das in unserer Zeit verloren zu gehen droht: Die Verbindung von äußerer Form und innerem Gehalt, von Stil und Substanz, von Tradition und Authentizität. In ihrer Gegenwart spürte man, dass Benehmen nicht Einengung bedeutet, sondern im Gegenteil – Freiheit durch Klarheit.
Fast zwanzig Jahre gemeinsam älter werden – das ist ein Geschenk, dessen Wert sich oft erst im Rückblick ganz offenbart. Beinahe zwanzig Dezember, zwanzig Amadeus Horse Indoors, zwanzig Mal dieses Wiedersehen, das mit den Jahren von eleganter Höflichkeit zu echter Herzlichkeit wurde, von Sponsorenbetreuung zu Verbundenheit.
Was entsteht, wenn man Jahr für Jahr dieselbe Begeisterung teilt? Wenn man gemeinsam zusieht, wie sich Pferde und Reiter entwickeln, wie neue Talente aufsteigen, wie die Zeit ihre Kreise zieht? Es entsteht etwas, das man nicht planen kann: Eine stille Verbundenheit derer, die dasselbe lieben.
Ein letzter, erfüllter Tag
Noch vor einem Jahr war ich bei Toni und Marina Meggle in ihrem paradiesischen Georgihof in Bayern zu Besuch. Ein Tag, wie man ihn nicht besser hätte komponieren können. Gemeinsam zu den Pferden gehen, dieses wortlose Einverständnis erleben, das nur zwischen Menschen möglich ist, die verstehen, was es bedeutet, wenn die Faszination für Pferde das eigene Leben mitbestimmt. Das Glück teilen, das nicht in Worten liegt, sondern in Momenten.
Der Tag fand seinen Ausklang mit einer echten Weißwurst vom Käfer und einem sensationellen Bier. Keine Inszenierung, keine Etikette – einfach nur das Leben in seiner schönsten Form: Gemeinsam am Tisch, authentisch, erfüllt, gegenwärtig. Ein Nachmittag, der sich anfühlte wie das Eintauchen in eine besondere Welt, die uns immer verbunden hatte: Das Pferdeglück.
Was bleibt, wenn ein Gentleman geht
Mit Toni Meggles Tod erlischt nicht nur ein Leben – es verklingt eine Melodie, die unserer Zeit gut getan hat. Die Melodie der Verlässlichkeit, der echten Leidenschaft, der gelebten Würde. Der Pferdesport verliert einen Förderer, dessen Engagement nie Kalkül war, sondern Ausdruck dessen, wofür sein Herz und das seiner Gattin schlug.
Doch vielleicht ist „Verlust“ nicht das richtige Wort. Vielleicht sollte man eher von einem Vermächtnis sprechen: Toni Meggle hat mit seiner Frau Marina stets gezeigt, dass man erfolgreich sein kann, ohne seine Menschlichkeit zu verlieren. Dass man Sponsor sein kann, ohne Distanz zu schaffen. Dass Eleganz und Herzlichkeit keine Gegensätze sind, sondern einander bedingen.
Marina steht nun vor der schwersten aller Aufgaben: Weiterzugehen ohne den Partner, mit dem sie Jahrzehnte geteilt hat. Lernen, mit einer Lücke zu leben, die niemand füllen kann. Und die Pferdesportwelt? Sie verneigt sich heute vor einem Mann, der ihr mehr gab als Geld – er gab ihr Würde.

Ein letzter Gedanke
Wenn man das Glück hatte, Toni Meggle zu kennen, dann weiß man: Er hätte keine großen Worte gewollt, keine pathetischen Gesten. Er war ein Mann der leisen Töne, der feinen Gesten, der aufmerksamen Blicke. Ein Gentleman bis zuletzt.
Vielleicht ist das die schönste Art, sich an ihn zu erinnern: Mit derselben Eleganz, mit der er gelebt hat. Mit Dankbarkeit statt Trauer. Mit der Gewissheit, dass manche Menschen die Welt besser zurücklassen, als sie sie vorgefunden haben – nicht durch große Revolutionen, sondern durch die stille Revolution der Menschlichkeit.
Auf Wiedersehen, Toni Meggle. Der Applaus verstummt, aber die Erinnerung bleibt. Und mit ihr die Gewissheit: Es war ein Privileg.
Toni Meggle verstarb am 30. Oktober 2025 im Alter von 94 Jahren. In stiller Anteilnahme und tiefem Respekt gedenkt die Pferdesportgemeinschaft eines Mannes, der ihr fast zwei Jahrzehnte lang treu verbunden war. Unsere Gedanken sind bei Marina und der gesamten Familie.
Ruth M. Büchlmann
Über Toni Meggle
Toni Meggle war ein Mann, der zwei Welten gleichermaßen prägte: die bayerische Wirtschaft und den deutschen Pferdesport. Seine Liebe zu den Pferden entdeckte er als Jugendlicher während des Krieges, als er in einer Scheune mit Pferden übernachtete. Aus dieser zufälligen Begegnung wurde eine lebenslange Leidenschaft. Zunächst erfolgreich im Springen und in der Vielseitigkeit unterwegs – er wurde Bayerischer Military-Vizemeister – fand er sein Glück schließlich in der Dressur. In der Reitakademie München lernte er Marina kennen, eine begeisterte Springreiterin, die er zur Hochzeit mit dem Vielseitigkeitspferd Leonardo für die Dressur begeisterte. Knapp 35 Jahre lang waren die beiden verheiratet, und im Sport wie im Geschäft ein eingespieltes Team. Auf ihrem Georgihof in Rechtmehring nahe Wasserburg schufen sie ein Paradies für Pferde mit Bedingungen, wie sie sich ein Vierbeiner nur erträumen kann.
So konsequent Toni Meggle sein Hobby umsetzte, so erfolgreich baute er auch das Unternehmen seines Großvaters auf. Kurz nach dem Abitur entschied er sich für die Praxis statt des Studiums, wurde Molkereimeister und machte aus der Käserei ein internationales Unternehmen mit mehr als 2.500 Mitarbeitenden weltweit. Fast 20 Jahre lang führte er den Milchindustrie-Verband als Vorsitzender, war Ehrensenator der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft und führte schon 1960 eine betriebliche Altersvorsorge für seine Mitarbeiter ein. Als Aufsichtsratsvorsitzender der Meggle AG und Stiftungsratsvorsitzender der Toni-Meggle-Stiftung, stets mit seiner Gattin Marina als Stellvertreterin an seiner Seite, lebte er nach klaren Prinzipien: Pflichtbewusstsein, Konsequenz, Qualität. Mit seinem Tod endet die Ära eines Mannes, der bewies, dass Erfolg und Menschlichkeit keine Gegensätze sein müssen. Bayern verliert einen seiner größten Unternehmer, der Pferdesport einen seiner treuesten Förderer.
Dieser Text wurde von EQUESTRIAN WORLDWIDE – EQWO.net verfasst und ist keine Pressemitteilung. Das Kopieren des Text- und Bildmaterials ist nicht gestattet.