RB – Es ist der 26. August 2016. In Österreich genießen Schüler und Studenten noch die Sommerferien. Einer von ihnen hat sich jedoch bereits zu einem neuen Abschnitt in seinem Leben aufgemacht. Einem Abschnitt, der ihn prägen wird. Einem Abschnitt, der ihn nach Mostar in Bosnien und Herzegowina führen wir, um dort eine herausragende Ausbildung an einer außergewöhnlichen Schule zu absolvieren. Die Rede ist von Leo Platzer. Dem 17-jährigen Österreicher mit herausragendem Reittalent, sehr guten Pferden und einem bekannten Trainer. Warum der aufstrebende Alpenspan Teamreiter sein Reitsakko an den Nagel hängte, was ihn zu diesem Schritt bewegte, wer ihm dabei immer zur Seite stand und welche Herausforderungen er auf seinem Weg zum Studium am United World College (UWC) Mostar meistern muss, das erzählte er in einem sympathischen, offenen und sehr abgeklärten Gespräch mit unserer EQWO media house Geschäftsführerin Ruth Büchlmann.
Die Qual der Wahl
Bis zu den Europameisterschaften in Millstreet diesen Sommer gab es in Leos Leben nicht nur einen Fokus. Die Schule und das Lernen dafür wollten bewältigt, Freundschaften gepflegt, das Familienleben gelebt werden und dann war da das Reiten. “Ich war ein ziemlicher Freak”, sagt Leo im Gespräch über sich selbst und als ich nachfrage warum, meint er, dass seine Tage vor allem vom Reiten bestimmt waren. Und wenn er nicht im Sattel saß? “Dann habe ich mir Videos von Ritten angesehen um daraus zu lernen. Damit ist es jetzt erstmal vorbei, denn das Programm am UWC Mostar ist eine ganz schöne Challenge.”
Doch zuvor war der Weg dorthin die erste Herausforderung. “Mein Vater stellte mich nach Millstreet vor die Wahl. Entweder, ich konzentriere mich jetzt zu 100 Prozent aufs Reiten, dann machen wir uns auf die Suche nach Pferden und leben das professionell. Oder ich konzentriere mich die nächsten zwei Jahre zu 100 Prozent auf die Ausbildung und gehe auf das UWC. Ich hatte die Wahl zwischen Hong Kong, Singapur, Bosnien und Wales.”
Leo überlegt lange und trifft eine Entscheidung mit Konsequenzen: “Am Ende habe ich mir gedacht, dass ich wohl besser erstmal die Schule mache, bevor ich jetzt das Reiten angehe und vielleicht nicht so viel Erfolg habe. Dann habe ich wenigstens eine Ausbildung, die kann mir keiner mehr nehmen.“ Die neue Herausforderung reizt den 17-Jährigen, doch gleichzeitig muss er sich auch relativ schnell von seinen Pferden trennen, denn das erste Schuljahr beginnt.
War das schlimm will ich wissen? Wie geht man damit um, wenn einem auf der einen Seite eine tolle Ausbildung angeboten wird und man andererseits so vielen auf längere Zeit Lebewohl sagen muss? “Das Verabschieden von meiner Familie, meiner Freundin und von den Pferden ist mir unheimlich schwergefallen. Die Pferde sind aber während meiner Abwesenheit in guten Händen. Bario [Anm.: Leos EM Pferd von 2016] ist für diese zwei Jahre bei Alessandra Reich. Wenn ich dann zurückkomme, sind er und Nausica (Anm.: Leos EM Pferd von 2015] 17 Jahre alt und ich kann mit ihnen noch weitermachen. Reiten ist nach wie vor mein Plan. Aber jetzt etwas für meine Zukunft zu machen finde ich schon wichtig.” erklärt Leo und ich frage mich, ob ich mit 17 auch schon so erwachsen war?
Leo entscheidet sich. Seine Wahl fällt auf Mostar. Sie ist die größte Stadt der Herzegowina und liegt im südlichen Teil von Bosnien und Herzegowina. Mostar ermöglicht ihm die alle 5 Wochen stattfindenden physiotherapeutischen Sitzungen in Wien weiterhin wahr zu nehmen und die Nähe zum Zuhause findet Leo auch gut. ” Wir haben im Winter einen Monat Ferien und im Sommer drei Monate. Da kann ich dann nach Hause und reiten!”, meint er und eine kurze Pause ist im lockeren Gespräch. „Im Grunde war eine ganz bestimmte Person wohl auch ausschlaggebend für meine Entscheidung gewesen“, meint er dann. “Meine Freundin Rosa. Sie hat mir bei der Entscheidung sehr geholfen und das ist nicht selbstverständlich. Dass sie meine Entscheidung nicht nur respektiert, sondern sogar unterstützt – das finde ich einfach toll und dafür bin ich ihr unendlich dankbar.” Schafft man das, so weit auseinander und immer so lange Zeit getrennt, frage ich. Doch Leo ist sich sicher: “Wir haben trotz des straffen Programms hier täglich Kontakt, das ist mir extrem wichtig. Rosa ist eine große Unterstützung. Genau wie mein Trainer, Anton Martin Bauer. Er war am Anfang natürlich nicht wirklich begeistert darüber, dass ich erstmal weg bin. Das hat aber nichts daran geändert, dass er sagte “Komm, mach das für deine Zukunft”.
Vernunft vor Leidenschaft und die Hunger Games
Das Reiten aufzugeben, die Pferde in die Obhut anderer Reiter zu geben, das Zuhause, Familie, Freunde und die gewohnte Umgebung zu verlassen – das alles waren für Leo Platzer wohl zu überlegende Entscheidungen und schließlich prägende Ereignisse. “Doch nach meiner Entscheidung, am UWC Mostar studieren zu wollen, musste ich erstmal die Aufnahmeprüfung schaffen und das war eine weitere Challenge!”
Was für eine, das lässt schon ein Blick auf die Aufnahmekriterien erahnen. Nur ein Bruchteil aller Bewerber wird angenommen. Um überhaupt in Frage zu kommen, muss man einen Notendurchschnitt von 1.0 vorweisen. “Ich dachte nicht, dass ich genommen werde”, meint Leo im Gespräch, “ich hatte zwar nie Probleme in der Schule, das Lernen fällt mir leicht. Aber das UWC ist schon eine eigene Liga. “Was mir an dieser Schule besonders imponiert, ist, dass es ganz egal ist, wie viel Geld deine Familie hat, aus welchem Hause du kommst. Es zählt Leistung, Wissen und Ehrgeiz. Und wie man sich selbst und andere einschätzt. In der allerletzten Runde vom Auswahlverfahren wurden wir in zwei Gruppen eingeteilt. Dann wurde uns gesagt, wir müssten selbst entscheiden, wer am besten für einen Platz an der UWC geeignet ist, die anderen müssten gehen. Das war fast wie bei den Hunger Games.” Einen kurzen Moment herrscht Stille zwischen uns. Ich sehe die Filmszenen vor mir und stelle mir den Druck vor, mit dem die jungen Leute konfrontiert werden. Wie hätte ich agiert?
“Als wir da so standen und aufzählen mussten, was wir schon alles gemacht haben, war ich im Vorteil”, sagt Leo. “Neben den wirtschaftlichen Faktoren, die ich wusste, wurde mir klar, dass mir das Reiten mehr gebracht hat, als ich dachte. Gut zu planen, an konkreten Problemen zu arbeiten, Ruhe zu bewahren. Das lernt man schon ziemlich gut, wenn man mit Pferden arbeitet.” Und auch wenn Leo fokussiert und sehr begeistert von der Ausbildung ist – ich spüre die Wehmut in seiner Stimme, wenn er vom Reiten und seinen Pferden spricht.
Ob Leo die Entscheidung bereut, frage ich deshalb? “Nein, keinesfalls!“, kommt es prompt und überzeugend. „Ich lerne hier so viel, nicht nur was die Ausbildung angeht. Man lebt mit Menschen aus allen Teilen der Erde zusammen, lernt sie kennen und entwickelt Freundschaften. Ich verstehe mich super mit meinen Kollegen aus Indien, Mexiko, Kolumbien… Das sind einmalige Erfahrungen und ich bin froh, dass ich sie erleben darf. Auch wenn mir das Reiten fehlt. Aber ich bin begeistert von all dem Neuen, Internationalen, das wir hier leben und lernen dürfen. Ich glaube, die richtige Entscheidung getroffen zu haben und möchte mich bei meinen Eltern, bei Martin – meinem Trainer für sein Training und seine Hilfe, bei Alpenspan und seinen Teamreitern und vor allem auch bei Rosa – meiner Freundin, bedanken. Ich denke, man bekommt auf dieser Welt nicht viel geschenkt, aber manche Menschen geben einem so viel und ich denke, dass man dafür auch etwas zurückgeben muss. Und wenn Du das schreibst, dann sag allen: ich freue mich schon auf ein Wiedersehen!
Das tue ich hiermit. Auf Wiedersehen Leo! Bis hoffentlich bald und mach weiter so!
Ruth M. Büchlmann
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