RYNGRAF – GROSSER FREUND, LEBENSLIEBE
Der Abschied gehört zum Leben, wie Licht und Schatten zum Tag, Ebbe und Flut zum Meer, Sonne und Mond zur Erde. Doch der Schmerz ist nicht fassbar, nicht beschreibbar, nicht teilbar. Er ist. So wie das Leben.
Welch bitteres Geschenk tiefen Schmerz im Abschied von seinem geliebten Pferd zu fühlen, welch wunderbare Lebensgabe Pferdeliebe erlebt zu haben.
Die Geschichte von Sarah’s Ryngraf steht für viele Pferdelieben und ist doch einzigartig. Ein Pferdeleben, das am 13. Dezember 2011 in der stillen Nacht geendet hat – eine Liebe, die nie vergehen wird.
Ryngraf – Pferdefreund im Leben
Freunde für immer: Ryngraf und Sarah © Ulli Bruckmüller
Einen kecken Blick hatte das hübsche nussbraune Fohlen, das kurz nach Weihnachten – am 28. Dezember 1992 – bei Rüdiger Wassibauer das Licht der Welt erblickte, von Beginn an. Und der passte zu dem kleinen frechen Kerl mit den langen dunklen Beinchen und dem dunklen Schopf. Es gab nur eine einzige weiße Stelle am Körper des vielversprechenden Fohlens, das – als Sohn des berühmten Firstgraaf, der als Prokopp’s Dumbo unter Thomas Frühmann Karriere gemacht hatte – auf Ryngraf getauft wurde. Die Stirn. Da prangte ein kleines weißes Ausrufezeichen – ein Versprechen für die Zukunft.
Allerhand zu tun hatte man mit Ryngraf als er dem Fohlenalter entwachsen war. Vierjährig wurde er von Wolfgang Rust angeritten und zeigte sich als keck, aber sehr gelehrig und idealerweise sowohl in der Dressur als auch im Springen bestens veranlagt. Ryngraf wird als Nachwuchspferd verkauft und weiter ausgebildet. „Sehr brav und vor allem geschickt war er“, erinnert sich Wolfgang Rust auch heute noch genau an den schicken Braunen, der von ihm – bis zur M-Dressur und M-Springen ausgebildet – oft ziemlich frech daher kam, aber „nie gemein und das Freche, das musste man ihm lassen, das war einfach sein Ausdruck“.
Ein weiterer junger Reiter kreuzt seinen Weg. Ryngraf soll verkauft werden und kommt elfjährig zu Stefan Eder nach Lamprechtshausen. Mit dem Salzburger geht es erstmals über S-Parcours, dann auf internationale Turniere und im neuen Stall kommt anfangs ab und zu, dann immer öfter ein reitbegeistertes Mädl, das bei Stefan trainiert und sich brennend für den schicken Braunen mit dem starken Charakter interessiert. „Ryngraf war wirklich ein Charakterpferd. Er hat dich gemocht oder eben nicht. Sarah aber hat er geliebt. Ich glaube er hat sich sie ausgesucht und nicht umgekehrt“, erinnert sich Stefan Eder an das Kennenlernen des zukünftigen Dreamteams, das er bis zum Schluss trainierte.
Bei aller Liebe, der Start war holprig. Sarah, die damals auf L-Niveau ritt, musste sich erst mal mit den Eigenheiten ihres Ryngraf zurechtfinden. Und hätte „Rynsn“, wie Sarah ihn später oft scherzend nannte, die Stirn runzeln können, dann wäre diese des öfteren in Falten gelegen. „Wieso findet die da oben meine Buckler lustig? Wieso hat die so viel Durchhaltevermögen? Reiten kann’s auch noch nicht…“
Auch das gehörte selten aber doch dazu. Aber wohlgemerkt: Ryngraf hätte die passende Distanz gewusst… © Dino Manfredi
Doch Sarah ließ ihm seine Frechheiten, immer öfter verschmolzen die beiden zu einer Einheit und der Weg ging steil nach oben. Vom L- schafften sie es bis zum S-Niveau, viele Turniere wurden ob national oder international erfolgreich besucht, bei Jugend- oder Juniorenturnieren oder Nationenpreisen waren Sarah und Ryngraf erfolgreich vertreten und sogar zwei Landesmeistertitel holte sich das Duo: 2006 den Salzburger Junioren Landesmeister und 2009 den Meister bei den Jungen Reitern.
Dreamteam: Sarah und Ryngraf © R. Glaser
Ryngraf genoss den Jubel, das Tätscheln, die Apfelstückchen in der Hand von Andrea beim Ausritt, die Pflege und wusste, dass er egal wie das Abschneiden war, liebevoll empfangen werden würde. Die ganze Familie lebte mit ihm und Sarah mit, egal ob Oma und Opa Klampfer, Mama Andrea oder Papa Geri – alle waren stets zur Stelle um den beiden zuzusehen, mitzufiebern, zu jubeln oder auch enttäuscht zu sein. Am Ende vom Parcours und von jedem Tag aufs neue wartete aber immer bedingungslose Liebe auf ihn und die gab er ebenso bedingungslos zurück.
Lebensfreunde mkit Lebensfreude: Sarah und Ryngraf © Dino Manfredi
Bei Frau Dr. Prant, der großen Blonden mit den zum Teil “unangenehmen Utensilien” jedoch, war das eher eine Hassliebe. Kam schon mal vor, dass die „Tante“ dann zufällig in der Box ganz ins Eck gedrückt wurde und alleine nicht mehr rauskam. „Rynsnmäßig“ kaltgestellt sozusagen. Da musste dann Sarah kommen und den Weg für die Frau Doktor wieder frei machen“, erinnert sich Meli Prant, die vom ersten Moment an, ihr tierärztliches Können bei Ryngraf einsetzte. „Er hat mir ebenso entgegen gewiehert, wie er mir ganz klar gezeigt hat welche Untersuchungen er völlig entbehrlich fand. Einfach war er nicht. Aber ein besonderes Pferd mit unheimlich viel Charakter und einem eigenen Kopf. Sarah und Ryngraf waren etwas ganz Spezielles und in ihrem Miteinander für mich einfach faszinierend.“
Ein Band, das durch gegenseitiges Vertrauen, gegenseitige Liebe und auch Respekt vor dem anderen, das Hineinhorchen und das Entgegengehen gewachsen war.
Ryngraf mit seinem besten Freund Lucky Night © Ulli Bruckmüller
Schön wären die Pläne gewesen. Noch ein paar kleine Turniere, dann ruhiges Miteinander-Sein und viel Koppel, daneben die Jungen. Ryngraf war es nicht vergönnt. Von Dienstag (13.12.) auf Mittwoch hat der Lebensfreund von Sarah und ihrer Familie seinen letzten Kampf verloren.
Leb wohl Ryngraf © Ulli Bruckmüller
Doch es gibt einen Ort, wo er noch immer in den Hafer prustet, die Ohren spitzt, auf sein Mash wartet, seinen besten Freund, Lucky, spielerisch zwickt und seine Lebensmenschen beim Gehen von hinten anschubst. So als ob er sagen wollte: „Pass auf, ich bin da. Danke, dass Du für mich da warst. Mir eine Stimme gegeben hast und ein Leben, von dem viele Pferde träumen.“
Ruth M. Büchlmann
Bilder aus dem Leben von Ryngraf und Sarah