Springsport – Der letzte Vorhang ist gefallen, Thomas Frühmanns Ausnahmepferd The Sixth Sense ist tot, doch die Erinnerung wird bleiben. Ein Nachruf auf Thomas innig geliebten “Senserl”, der heute im Alter von 26 Jahren friedlich entschlafen ist.
Man kann noch so viele tolle Pferde unterm Sattel haben, für jeden Reiter gibt es diesen einen, wahren Sportpartner. Dieses eine besondere Pferd, mit dem auch die Reiterseele ganz besonders verbunden ist. The Sixth Sense, oder Senserl, wie Thomas Frühmann ihn stets liebevoll zu nennen pflegte, ist ein solches Pferd für Thomas gewesen. Und Thomas hat weiß Gott viele “Kracher” unter dem Sattel gehabt.
“Senserl war mit Sicherheit einer der Speziellsten”, so Thomas Frühmann heute im EQWO.net-Interview. “Speziell von seiner Art, wie er geritten werden wollte, aber auch ganz speziell für mich, weil er nach Grandeur, das Pferd war, das ich am längsten hatte. Er war auch derjenige, mit dem ich nach 35 Jahren Reitkarriere noch einmal so unheimlich viel dazulernen durfte. Er musste mir helfen, wie man ein Pferd mit einem solch speziellen Charakter managt und ich durfte ihm helfen zu lernen, wie man Ruhe hineinbekommt. Das alles war sehr, sehr persönlich.”
Unzählige Geschichten gibt es zu The Sixth Sense, von den “Zu-fällen” bis er von Thomas entdeckt wurde, bis hin zu dem Pferdekünstler, der einfach alles kann. “Er ist Mozart und Freddy Mercury.”, sagte Thomas Frühmann einmal und die Erfolge sollten ihm recht geben: Zahllose Siege in Großen Preisen und Weltcup-Qualifikationen folgten in den nächsten Jahren. Thomas Frühmann wurde 2006 Rider of the Year und 2007 Zweiter der Riders Tour-Gesamtwertung.
2004 hat Thomas, u.a. Silbermedaillist der Olympischen Spiele 1992, mit dem unnachahmlichen Reitgefühl den Westfalen von Zorro T für sich “entdeckt”. Wobei Thomas den Wallach mit der hängenden Unterlippe, die aus einem Unfall im Fohlenalter herrührt, schon von kleineren Turnieren kannte. Der Zorro-T-Nachkomme galt als schwierig und dennoch entschied sich Thomas für ihn. Mehr aus einer Verzweiflung heraus, wie er später erzählte, denn er war schon länger auf der Suche nach einem Top-Pferd, aber wurde nie fündig. Die Kaufsumme von damals steht heute in keiner Relationen zur Gewinnsume in Millionenhöhe, die der stets eigenwillige Thomas Frühmann und sein kongenialer Wallach gemeinsam erzielten. Zwei, die wie Topf und Deckel zueinander passten.
Auch als Zuseher war man in den Bann gezogen, wusste über manche Eigenarten Bescheid und so erinnere ich mich noch heute, wie ich am Rand des Parcours bereits Daumen drückend das Einreiten verfolgte und inständig hoffte, dass sich der Braune entweder bereits seiner Notdurft entledigt hatte oder sich entledigen würde. Im zweiteren Fall war alles entspannt und bereit für höchste Höhen. Der Blick von Thomas über die Schulter, wird’s was oder nicht? Den hab ich heute noch im Kopf.
Quelle: YouTube/ Oxer Sport
Gekauft hat The Sixth Sense damals Serena Hamberg, ehemalige Ehefrau und vor allem langjährige Sponsorin von Thomas, die für Thomas damit damals die Chance für eine zweite Reitkarriere schuf. Diese nutzte der erfolgreiche Springreiter konsequent. Er baute den Wallach gefühlvoll auf, managte ihn schlichtweg perfekt und schaffte das Kunststück, mit lediglich einem Spitzenpferd stets zu den Besten in den schwierigsten Parcours zu gehören.
Unglaubliche Erfolge
Bereits im März 2004 feierte The Sixth Sense als Zehnjähriger unter seinem damals neuen Reiter Thomas Frühmann Erfolge: Nicht weniger als acht (!) Große Preise und eine unglaubliche Serie mit vielen Grand Prix-Siegen begann und hielt mit dem Sieg im Weltcup von Genf 2005, den Weltcup-Siegen von Leipzig und Vigo 2006, dem Sieg als erstes nicht-deutsches Paar der Riders Tour Gesamtwertung 2006, dem zweiten Platz in der Global Champions Tour 2006, dem besten Pferd-Reiter-Paar 2006, dem Titel „Erfolgreichstes Springpferd des Jahres“ 2006, dem zweiten Platz in der Riders Tour Gesamtwertung 2007 und unzähligen weiteren Erfolgen bis zum Jahr 2010 an. Dann verletzte sich der feinfühlige Wallach und musste erst mal aus dem Sport herausgenommen werden.
Mithilfe spezieller Therapien konnte The Sixth Sense in den Sport zurückkehren und zeigte seinen Fans was noch in ihm steckte! Gleich bei seinem Comeback im Mai 2011 siegte er mit Thomas beim CSIO4* in Linz. Es folgten Triumphe im CSI4* Grand Prix von La Coruna 2011, im CSI3*-W Grand Prix von Pezinok 2012, die Teilnahme am Furusiyya FEI Nations Cup™ Jumping Finale in Barcelona 2013, der Sieg im CSI3* Grand Prix von Graz 2014, der zweite Rang im CSI5* Gaston Glock‘s Championat von Treffen sowie der zweite Rang im CSI5* Gaston Glock‘s Vienna Masters Prix beim Vienna Masters 2015.
Den letzten internationalen Erfolg verbuchte The Sixth Sense im Jänner 2016, als er beim GLOCK‘s CSI3* Grand Prix von Treffen auf den zehnten Rang sprang.
2016 folgte dann die Verabschiedung aus dem Sport. Beim Vienna Masters in der Freudenau wurde der “Sense” ein eigener Programmpunkt gewidmet, inklusive Einritt, ein letztes Absatteln & Standing Ovations. Etliche Springreiter:innen versammelten sich am Platz, denn mit dem Wallach verließ auch Thomas Frühmann den Springsport. “Wenn er geht, geh’ ich auch”, hatte Österreichs Springsportlegende schon davor oft angekündigt und machte das dann auch wahr.
Quelle: YouTube/ EQWO.net
Als Höhepunkt des Abends schenkte Serena Hamberg den Wallach Thomas Frühmann, seitdem durfte er bei der Familie Reichl seine Pension genießen. Insgesamt sechs Jahre lang wurde “das Senserl” umsorgt und bespaßt. Jetzt war es dann so weit.
Ein Pferd mit Charakter
„Ich liebe dieses Pferd, es ist mit Abstand das beste Pferd meines Lebens“, sagte der Thomas Frühmann einmal. Einer von dem man meint, dass er doch in seiner bisherigen großen Karriere immer besondere Tiere unter dem Sattel hatte. Der bereits an drei Olympischen Spielen, vier Weltmeisterschaften und nicht weniger als acht Europameisterschaften teilgenommen und dabei das Weltcup-Finale 1992 in Del Mar sowie unzählige Große Preise gewonnen hat. Die paar äußeren Mängel von The Sixth Sense, wie die schiefe Hüfte oder das fehlende Lippenstück interessieren ihn dabei nicht, sie wurden zum Markenzeichen.
Als legendär bezeichnete er die Leistungsbereitschaft und Sprungkraft seines Wallachs, die Leichtigkeit, mit der er Hindernisse überwand, aber auch seine Zickigkeit: „Er sieht und hört alles und er ist nicht einfach. Immer wenn wir zum Abreiteplatz geritten sind, hatte ich das Gefühl, zig Mal runter zu fallen, bevor wir ankamen. Dort brauchte er dann sein Herumgehopse und im Parcours ging er nicht am Zügel.“ Ob Thomas das nie ändern wollte? „Nein. Ich habe ihn gelassen, wie er ist und im Parcours war er dann immer voll bei der Sache …und ich schwör’s Dir: Der ist ein Mensch“, schwärmte Thomas Frühmann über seine “Sense”.
In den letzten Wochen war The Sixth Sense schwächer geworden, hatte abgenommen und wollte viel liegen. “Das Blutbild war ok, aber wir wussten, dass die Zeit nun kommt und er sich bereit macht, zu gehen.” erzählte Thomas tief bewegt im EQWO.net-Interview.
Heute musste sich Thomas von seinem Senserl verabschieden: “Mein Held, mein Kumpel, mein Kämpfer und Freund ist jetzt mit seinen Kollegen auf der ewigen Weide! Danke für ALLES Senserl – see you in Heaven”.
Ruth M. Büchlmann
Weiterführende Links:
>> FEI Database: The Sixth Sense
>> EQWO.net-News: Time to say Goodbye: The Sixth Sense wird aus dem Sport verabschiedet
>> EQWO.net-News: „Thomas: The Sixth Sense is Yours!“
>> VIDEO: GoodBye “The Sixth Sense”
>> VIDEO: Zu Besuch bei Thomas Frühmann & The Sixth Sense – EQWOtv
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