RB – Ehrlich gesagt habe ich gedacht, dass ich mich hier in Rio über Berge an frischem Obst freuen werde und sicher den besten Kaffee der Welt bekomme. Doch leider beginnt unser Journalistenalltag im kargen Speisezelt, das man hier im Militärkomplex des Infanterieregiments von Deodoro aufgestellt hat.
Der Kaffee kommt jeden Morgen aus einem großen Kanister – und so schmeckt er auch. ‘Wahrscheinlich passt sich der Körper ideal an’, denke ich mir heute, denn die braune Brühe hat schon einen Hauch Geschmack. ‘Und wie viele Tage kann man fast ausschließlich Brot essen?’ Nach den drei Wochen hier bei den Olympischen Spielen werde ich auch darüber Auskunft geben können. Denn wir Pferdesportjournalisten sind nicht nur fern der Copacabana und des Zuckerhuts, sondern auch fern von irgendwelchen kulinarischen Genüssen.
Tschüss Brot, hallo Obst, adé ihr Bananen
Deshalb haben wir gestern einen ‘Ausbruchsversuch’ gewagt. Uns quasi nationenübergreifend zusammengeschlossen, zwei Taxis genommen und sind in ein Einkaufszentrum gefahren. Auf der Fahrt wurden die neuesten Insider-News ausgetauscht. Einiges wurde bereits gestohlen, Fotografen ausgeraubt und nein, die waren nicht alleine am Abend am Strand, sondern es geschah am hellichten Tag und mit perfider Taktik. Wir beschließen, immer zusammenzubleiben – ist wohl auch besser so. Im Supermarkt kaufe ich endlich herrliche Bananen, Mangos und Papayas. Die nehme ich dann zum Pressoffice mit und mein öder Brotalltag hat ein Ende.
Denkste! Heute alles eingepackt, aber beim Securitycheck habe ich Pech. Ich komme ausgerechnet bei der Lane dran, bei der der Scanner ausgefallen ist und der Bär von Soldat, der meine Tasche durchsucht, angelt gleich den Sack mit den Früchten heraus. ‘Die müssen da bleiben’ deutet er mir. Ich deute ‘Verzweiflung’ zurück. Er deutet ‘nichts zu machen’ retour. Diskutieren brauche ich mit dem Sturmgewehr-Mann wohl nicht. Also gebe ich schweren Herzens mein Obst ab und finde es total gemein, als meine Kollegen mit ihrem Obst ins Pressoffice kommen. Sie hatten die Lane mit dem funktionierenden Scanner erwischt.
Wasserflaschen werden übrigens auch aussortiert und die Getränke hier gibt’s ausnahmslos ohne Deckel. Na ja, wir wollen ja beschützt sein… also auch ok. Beim Weg zum Pressoffice spreche ich mit Dirk Caremans, einem erfahrenen Fotografen. Er schildert mir, wie er in Atlanta knapp der Bombe entgangen ist und sagt, dass er seither gerne seine Taschen durchsuchen lässt, egal wie oft. So gesehen, bekommt alles eine andere Bedeutung.
Scharf geschossen – die Gewehrkugel unter uns
Das Pressoffice füllt sich nun, viele sind erst gestern angekommen und wir kleben wieder unsere Namensschilder auf die Tische um uns unseren Platz zu sichern. Ich sitze in einem netten Pulk der D-A-CH Region. Kollegen und Kolleginnen aus Deutschland und der Schweiz sind dabei und endlich ist auch unser Ernst Kopica für die Pferderevue da, der mit mir das Österreicherkontingent der Pferdesportberichterstatter bei diesen Olympischen Spielen komplettiert. Auf einmal gibt’s Aufregung bei uns und die bricht nicht wegen eines sensationellen Scores aus, den einer der Vielseitigkeitsreiter in der heutigen Dressuraufgabe geliefert hat. Sondern eine Kugel hat unser Zelt durchschlagen und ist neben dem britischen Kollegen John Stroud gelandet. Die Kugel wird konfisziert, aktuell geht man den Spuren nach. Nun sind wir Journalisten es selbst, die interviewt werden, Kamerateams filmen den Einschuss, die BILD nutzt es für eine Schlagzeile. Wie ich mich fühle? ich weiß es nicht. Ruhig schon, aber auch irgendwie komisch. Man arbeitet weiter, so als ob nichts geschehen sei, niemand wurde getroffen und doch…
Ist keine Eröffnungsfeier doch besser?
Gestern habe ich sehr mit mir gehadert, das ÖOC hat mir kurzfristig noch eine der 10 Karten für die Eröffnung der Olympischen Spiele zur Verfügung gestellt. Soooo cool! Doch als ich davon erfahre, gibt es kein Shuttle mehr. Alle wurden für die Eröffnungsfeier abgezogen und die paar wenigen Journalisten, die auch eingeladen waren, sind bereits dort. Alleine und noch dazu als Frau mit dem Taxi zu fahren, davon raten mir alle anderen ab. Vierzig Minuten Taxifahrt, die mich zu einem einmaligen Erlebnis bringen, oder…?
Ich sage ab. Hab meinen Kids versprochen vorsichtig zu sein. Und das würde dem nicht entsprechen. Dennoch… echt schade.
Doch als unsere Journalistengruppe an diesem Abend gemeinsam vom oben genannten Supermarkt nach Hause fährt, sehen wir im brasilianischen TV Protestaktionen gegen die Olympischen Spiele – die Wut und auch den Hass der Einheimischen. Am Abend davor brauchten wir mit dem Shuttlebus fast eine Stunde in ‘unsere’ Kaserne, der Grund war der Einzug des Olympischen Feuers und das Militär- und Polizeiaufgebot zum Schutz. Einheimische hatten das Feuer mit Wasserbomben attackiert…
Das ist die andere Seite der Olympischen Spiele hier. Die fremde Seite. Die, welche man nicht sehen will. Dabei ist das, was wir mitbekommen, noch ‘Peanuts’ gegen all die Armut und Gewalt hier in diesem so wunderschönen Land.
Doch wenn der Sport vereinen kann – Nationen, Menschen, Hautfarben, Religionen – dann hätten diese 31. Olympischen Spiele mehr geschafft als viele und vieles andere.
Stay tuned!
Eure RMB
Den Zeitplan der Olympischen Spiele in Rio 2016 gibt es hier »
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