News aus der Trabrennzucht
Buchtipps „Harness Racing in New York State – A History of Trotters, Tracks and Horsemen”
Der aus Cincinnati, Ohio stammende Journalist Dean A. Hoffman ist einer der profundesten Kenner der nordamerikanischen Trabrennszene. Sein 2012 bei The History Press erschienenes Buch „Harness Racing in New York State – A History of Trotters, Tracks and Horsemen” ist jetzt als Paperback erhältlich. Hoffman, der 25 Jahre lang Chefredakteur der Zeitschrift Hoof Beats war und seit 2006 Mitglied der Hall of Fame ist, wurde für seine Berichte und Reportagen mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Messenger-Award. Dean A. Hoffman lehrt seit Anfang dieses Jahres an der Universität von Arizona.
Der in München lebende Journalist Andreas Engl hat Hoffmans etwas andere New-York-Hommage für Sie gelesen.
Kein anderer Bundesstaat der U.S.A. hat eine solche Bedeutung für den amerikanischen Trabrennsport wie New York. Die Geschichte nimmt vor über zweihundert Jahren ihren Anfang. Als 1788 der achtjährige englische Hengst Messenger nach wochenlanger Überfahrt die Landungsbrücke in Philadelphia mit einer solchen Wucht hinunterstürmt, daß gleich zwei Männer ihn bändigen müssen, sendet er damit eine Botschaft über das ganze Land hinaus: Hier bin ich, mein Name ist Messenger! Jetzt beginnt eine neue Ära in Eurer Zucht!
Die Amerikaner verstehen. Messenger deckt 125 Stuten pro Jahr. Zuerst in New Jersey und Pennsylvania, dann in New York, dann wieder in New Jersey und Pennsylvania. Schließlich kehrt der Nomade nach New York zurück und findet dort seine Heimat.
Rund 60 Jahre später die nächste Zäsur. Es ist eine mächtige. Am 5. Mai 1849 kommt in Orange County, NY ein Urenkel Messengers zur Welt. Sein Name: Hambletonian. Der nicht gerade hübsche, aber bärenstarke Hengst wird das Maß aller Dinge in der Zucht – und sein Besitzer, der hollandstämmige William Rysdyk, ein reicher Mann.
Dean A. Hoffman schildert detailliert und manchmal pointiert den Aufstieg des Bundesstaates New York zum Epizentrum des amerikanischen Trabrennsports. Das Buch hält, was es im Untertitel verspricht: „A History of Trotters, Tracks and Horsemen“, man erfährt von Trabern, Rennbahnen und Magnaten.
Es ist eine faszinierende Zeitreise durch den New Yorker Trabrennsport, auf die uns der Autor mitnimmt. Wir steigen ein beim ersten Trabrennen 1806 auf dem Harlem Race Course und erleben, wie sich der Sport im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte in New York verankert.
Hoffman beleuchtet in seinem Buch immer den Goliath und den David. Wenn es um die Bahnen geht, so erfahren wir nicht nur etwas über die Arenen New Yorks: den Yonkers Raceway, den Good Time Park in Goshen, der zur Wiege des amerikanischen Trabrennsports wird, und natürlich den Roosevelt Raceway auf Long Island, den die Amerikaner ihren „Dream Track“ nennen, ehe er im Sommer 1988 geschlossen wird, weil sich das Unternehmen nicht mehr rechnet. Wir erfahren auch etwas über die kleinen Bahnen, die ihren Teil zum Aufstieg des Empire States beitragen. Hier seien nur einige genannt: Utica, Rochester, Saratoga oder Poughkeepsie.
Dieses Wechselspiel zwischen Groß und Klein setzt sich bei den Pferden fort: Wer kennt nicht Greyhound, Moni Maker, Credit Winner, Good Time oder Cam Fella? Aber wer kann sich noch an Grandpa Jim oder Doc Hobbs erinnern? Hier sei nun aber auch Kritik angebracht: Während im Anhang des Buches die Tycoons und erfolgreichsten Fahrer, Besitzer und Züchter New Yorks noch einmal alphabetisch aufgeführt werden, sucht man eine solche Auflistung der wichtigsten Pferde vergeblich.
Eine der schönsten Stellen des Buches ist Hoffmans Bericht über die Premiere des Roosevelt International im Jahre 1959, eines Rennens, zu dem Elite-Traber aus Europa zum ersten Mal nach New York kommen.
Zunächst ist das Roosevelt International nur eine vage Idee George Morton Levys, des Machers hinter den Kulissen. Es gibt viele Fragezeichen: Kann man es sich leisten, den Teilnehmern aus Europa die Reisekosten zu bezahlen? Wollen die Europäer überhaupt auf einer 800-Meter-Bahn starten? Würden die europäischen Pferde die engen Kurven meistern? Ein New Yorker denkt aber nicht lange nach, er handelt.
Schließlich wird das Roosevelt International über 2.400 Meter ausgeschrieben, man bezahlt die Reisekosten und dotiert das Rennen mit 50.000 Dollar. Und dann kommen sie, die Europäer, jeder mit einem Fehdehandschuh im Gepäck: Icare IV und Tornese aus Italien, Jens Protector aus Norwegen, Ivacourt aus Deutschland, Jamin aus Frankreich, und Adept aus Schweden. (Hier unterläuft Hoffman ein Fehler, er macht Adept zum Neuseeländer.) Die Herausforderer treffen unter anderem auf den kanadischen Champion Philip Frost sowie auf den amerikanischen Vorausfavorit Trader Horn.
Als der Renntag um 18 Uhr beginnt, ist der Roosevelt Raceway bis auf den letzten Platz gefüllt, mehr als 48.000 Zuschauer sind gekommen. Bei der Parade für das „International“ wird jedes Pferd im Spotlight vorgestellt und mit Musik aus seinem Heimatland begrüßt. Man kann die Spannung greifen.
Als Starter Steve Phillips die Pferde ins Rennen schickt, bricht Jens Protector sofort weg, und Tornese übernimmt die Führung. Außen greift der verwegene Philip Frost an und setzt sich an die Spitze. Jamin mit Jean Riaud im Sulky gerät im ersten Bogen in Schwierigkeiten und befindet sich im Hintertreffen. Der nächste Schlagabtausch erfolgt wieder ganz vorne: Philip Frost galoppiert sich aus dem Rennen, und der Favorit Trader Horn mit Billy Haughton im Sulky geht unter dem Jubel der Massen an die erste Stelle. Aber als sich Haughton umdreht, sieht er Jamin kommen. Und kommen. Und kommen. Trader Horn ist jedoch mit seinen Kräften am Ende, er kann nichts mehr zusetzen. Jamin geht auf der Zielgerade vorbei und gewinnt das erste Roosevelt International vor Tornese, der den amerikanischen Favorit noch abfängt und auf den dritten Platz verweist. – Das Rennen ist ein grandioser Erfolg.
Was Dean A. Hoffmans Buch darüber hinaus so lesenswert macht, sind die Geschichten in der Geschichte. Da ist zum Beispiel der New Yorker Besitzer William H. Strang Jr., den alle nur „Brooklyn Bill“ nennen. Er wünscht sich nichts mehr als den Sieg im Hambletonian. Die ersten Versuche schlagen fehl. Seine Pferde placieren sich zwar, aber sie gewinnen nicht. „Brooklyn Bill“ gibt nicht auf – und endlich, 1943, wird sein Traum wahr. Sein Außenseiter The Ambassador gewinnt das Hambletonian. „Brooklyn Bill“ freut sich so sehr über den Sieg, daß er den größten Teil seines Gewinns verschenkt. Den Traber-Göttern mag Bills Freigebigkeit gefallen haben, denn im nächsten Jahr gewinnt er mit Volo Song das Hambletonian erneut.
Oder nehmen wir den Züchter Max Hempt aus Harrisburg, PA. Hempt ist ein erklärter Gegner des demokratischen Präsidenten Harry Truman und wünscht sich den ehemaligen US-Kommandeur im Zweiten Weltkrieg, Dwight D. Eisenhower, als dessen Nachfolger ins Weiße Haus. Die Amerikaner denken ähnlich, aber ihr Slogan „I Like Ike“ ist Hempt zu wenig, er will ein lebhafteres Ausrufezeichen setzen und nennt einen seiner Jährlinge Adios Harry. Hempts Wunsch geht schließlich in Erfüllung: Eisenhower wird Präsident — und Adios Harry gewinnt Mitte der fünfziger Jahre Rennen um Rennen in New York.
Die Geschichte des Trabrennsports in New York ist in der Neuzeit undenkbar ohne den großen Game-Changer im benachbarten New Jersey. Wir sprechen natürlich von The Meadowlands. Hoffman widmet diesem Meilen-Oval, das am 1. September 1976 eröffnet wird, ein ganzes Kapitel. Das ist gut so, denn zusammen mit der nun legalen Außenwette bringt The Meadowlands den Trabrennsport in New York fast zum Erliegen. (Zur Eröffnung von The Meadowlands kommen die großen Stars der damaligen Zeit, so zum Beispiel die New Yorker Quarterback-Legende Joe Namath oder der Schauspieler Telly Savalas.)
Dean A. Hoffman reiht in seinem Buch nicht nur Fakten aneinander, er erklärt. Die Auswirkungen nationaler Tragödien wie der Angriff der Japaner auf Pearl Harbor oder die Anschläge vom 11. September stellen auch für den New Yorker Trabrennsport tiefgreifende Veränderungen dar. Im Falle von 9/11 aber – Ironie des Schicksals! – ist es die Wende zum Guten. Nach den Anschlägen erlaubt die Gesetzgebung auch auf den Pferderennbahnen Spielautomaten, um weitere Steuereinnahmen für den Wiederaufbau zu generieren. Die Spielautomaten retten die Bahnen vor dem sicheren Ruin.
Die letzten Seiten des Buches sind ein Potpourri über die Gegenwart des New Yorker Trabrennsports. Hoffman erwähnt (natürlich!) den Immobilien-Mogul Jeff Gural; er schreibt über Andrew Cuomo, den Gouverneur New Yorks und dessen kritischer Haltung zur Pferderennbahn und zur Pferdewette. Hoffman beleuchtet auch noch einmal den vermeintlichen Doping-Skandal um Luis Pena, den man bei uns längst vergessen hat.
Das Buch aber schließt mit einer positiven Note, denn Hoffmans Prognose für den Trabrennsport in New York State ist optimistisch, und es wirkt nicht aufgesetzt, wenn er schreibt: »Some said that harness racing in New York might be nearing the finish line, but those familiar with the history of the sport in the state cautioned the naysayers, ‘Don’t bet on it.’ Purses continue to rise in 2012, and breeding activity is another sign that the sport should be strong for many decades into the future.« – Es ware schön, wenn Hoffman recht behielte.
Dean A. Hoffman: “Harness Racing in New York State – A History of Trotters, Tracks and Horsemen”, Charleston/SC, The History Press, ISBN 978-1-60949-604-3, 127 Seiten.
Das Buch ist auch für diejenigen gut zu lesen, die der englischen Sprache nicht in vollem Umfang mächtig sind. Es ist über amazon erhältlich und kostet als Printausgabe 14.80 EUR, die Kindle-Edition gibt es für 8.34 EUR.
Weitere Infos unter www.trabrennzucht.at
Quelle: Pressemitteilung