Dressursport wie er spannender nicht sein kann – das war der Tag des MEGGLE-Preises, der ersten Europameisterschafts-Einzelentscheidung in Aachen. Am Ende hatte die Titelverteidigerin und Favoritin des Grand Prix Specials die Nase vorne, aber sie hat es noch einmal extra spannend gemacht: die 30-jährige Britin Charlotte Dujardin mit ihrem olympischen Goldpartner Valegro. „So ein Mist, ich habe nach dem 14. Wechsel aufgehört zu zählen, ich dachte, ich sei schon ‚im Ziel’“, schimpft die Europameisterin nach ihrem Ritt mit einem kleinen technischen Fehler in der heutigen Einzelwertung der FEI Europameisterschaften Aachen 2015.
15 Galoppwechsel hätte sie eigentlich reiten müssen. Aber zeitgleich lacht und strahlt sie von einem Ohr zum anderen. Sie weiß: Das war ein toller Ritt. Mission Titelverteidigung geglückt! „Beim Einritt habe ich noch die Note von Kristina Sprehe gesehen und die war gut“, erzählt sie. „Aber das hat mich nicht eingeschüchtert. Im Gegenteil: Das hat mich noch mehr angespornt.“ Die 28.000 Aachener Zuschauer feierten die Titelverteidigerin mit ‚standing ovations’ und begeistertem Applaus.
Dujardin ist amtierende Olympiasiegerin, Weltmeisterin und – seit heute zum zweiten Mal – Europameisterin. Und das mit neuem Europameisterschaftsrekord. 87,577 Prozentpunkte – das hat es im Grand Prix Special auf einer Europameisterschaft noch nie gegeben. Ans Rekorde brechen ist die junge Britin schon gewöhnt: Sie hält die Weltrekorde in allen drei Prüfungen des internationalen Grand Prix-Sports.
Mit einer Art ‚Befreiungsschlag’ hat Kristina Bröring-Sprehe auf Desperados mit 83,067 Prozentpunkten die Silbermedaille für Deutschland gesichert. Bis dahin stand die Europameisterschaft in diesem Jahr unter keinem guten Stern für die deutschen Dressurreiter. Nach ‚nur’ Bronze in der Teamwertung startete Isabell Werth als erste deutsche Reiterin heute etwas durcheinander in den Wettbewerb und ritt eine falsche Lektion. „Da bin ich 25 Jahre in diesem Sport und heute verreite ich mich“, ist die 46-Jährige fassungslos, um es dann mit Humor zu nehmen: „Was kann das Pferd dafür, wenn eine Blondine im Sattel sitzt?“ So war sie mit der Vorstellung ihres Pferdes Don Johnson ansonsten sehr zufrieden: „Er war heute besser als ich!“ Mit 75,924 Prozent wird die 34-fache Medaillenträgerin am Ende Siebte.
Jessica von Bredow-Werndl beginnt auf Unée mit einer tollen Trabtour, hat dann aber Fehler in beiden Wechseltouren: 74,79 Prozent und Platz acht. Kristina Bröring-Sprehe gelingt eine Runde ohne technische Fehler mit viel Ausdruck. „Ich hatte ein fantastisches Gefühl auf Desperados“, schwärmt sie. „Und er liebt die Atmosphäre in dem großen Aachener Stadion.“ Nach Bronze bei der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr ist die Aachener Silbermedaille die zweite Einzelmedaille für die 29-Jährige.
Premiere dagegen feierte der Niederländer Hans-Peter Minderhoud auf Johnson. Nach olympischem Teamsilber und Teamgold bei Welt- und Europameisterschaften feierte Minderhoud in Aachen seine erste Einzelmedaille. Unter ‚erschwerten’ Bedingungen. In der Nacht vor dem MEGGLE-Preis hatte er an einer Magen-Darm-Infektion gelitten und gestand: „Ich hatte noch ganz schön wacklige Beine während der Prüfung und konnte meinen Ritt eigentlich nicht wirklich genießen. Aber als ich die Noten sah, habe ich mich sehr gefreut!“ Minderhouds Bronzemedaille freute auch seinen Teamkollegen und Lebensgefährten Edward Gal heute ganz besonders. Gal war ebenfalls als Medaillenfavorit an den Start gegangen, konnte aber seine Prüfung nicht beenden, weil sich sein Pferd, Undercover, während der Prüfung auf die Lippe gebissen hatte und kurzfristig leicht blutete. Das internationale Reglement verlangt in einem solchen Fall das Abklingeln durch den Chefrichter.
Die besten 15 Paare aus dem heutigen Grand Prix Special werden morgen, Sonntag, um weitere Medaillen im Deutsche Bank Preis, Grand Prix-Kür, reiten. Darunter ist beispielsweise die spanische Vize-Weltmeisterin von 2002, Beatriz Ferrer-Salat auf Delgado, die heute mit Platz vier knapp an einer Medaille vorbeigeritten ist. Unter den Kürreiter wird morgen auch Carl Hester sein, der britische Mannschafts-Olympiasieger von 2012. In London 2012 war er wie jetzt in Aachen Teamkollege von Charlotte Dujardin, aber zugleich ist er auch ihr Entdecker und Trainer. Irgendwie hat er also auch heute schon die Goldmedaille ‚mitgewonnen’.
Um 13.30 Uhr beginnt morgen, Sonntag, die letzte Medaillenentscheidung der FEI-Europameisterschaften Aachen 2015 im Dressursport mit dem Deutsche Bank Preis, der Grand Prix Kür. 90 Prozent der 40.000 Sitzplätze im großen Aachener Hauptstadion sind bereits verkauft, typische Aachener Gänsehaut-Stimmung somit schon im Vorfeld garantiert.
Quelle: Pressemeldung
Zum EQWOtv Interview mit den Medaillengewinnern geht es hier »