Noch bevor heute die eiligst einberufene Pressekonferenz startete, war es schon in aller Munde: Totilas ist draußen! Das ehemalige Wunderpferd kommt in die Klinik. Die Europameisterschaften sind für Matthias Alexander Rath beendet. Mehr erfuhr man dann bei der Pressekonferenz mit Equipechef Klaus Röser (GER), obwohl – so viel mehr auch nicht.
Denn dass Totilas taktunrein war, konnte man in zig Videos sehen und wurde in hunderten Foren gepostet. Klaus Röser gab jedoch nach wie vor bekannt, man habe das ‚aus dem Winkel’ wo man beim Grand Prix stand, nicht sehen können und erst genaue Videoanalysen machen müssen.
Verwunderlich, dass so viele Zuseher das Pferd als eindeutig unrein sahen und die Verantwortlichen aus Deutschland hingegen direkt vor Ort dennoch empfanden, dass alles ok war.
Verwunderlich auch, dass aus den Ställen schon vor dem Vet-Check Infos kamen, dass man den schwarzen Hengst mehrmals vorgetrabt hätte und mit Gerten zu gutem Trab motiviert habe. Wahrscheinlich nur Gerüchte.
Die Pressekonferenz war jedenfalls mehrmals widersprüchlich und gewisse Aussagen sorgten auch für Verwunderung oder gar Entsetzen.
Lesen Sie hier das Protokoll der Pressekonferenz mit Equipechef Klaus Röser, der heute vor allem mit seinen heimischen Journalisten konfrontiert war.
Hinweis: Das Protokoll ist genau nach den Tonaufnahmen notiert, deshalb die oftmals eigenwilligen Satzstellungen.
Protokoll Pressekonferenz zum Zurückziehen von Totilas
KLAUS RÖSER:
Wir wollten die Gelegenheit nutzen, dass wir in einem gemeinsamen Gespräch bzw. in einer gemeinsamen Verlautbarung mitteilen, dass wir – und wir ist in diesem Falle Matthias Alexander Rath, als auch die Bundestrainerin, der Bundestrainer, der Mannschaftstierarzt und der Equipechef – uns dazu entschieden haben, nach Videoanalyse des gestrigen Rittes, weil das war für uns von der Position aus wo wir gestanden haben, so klar und deutlich nicht ersichtlich und deshalb haben wir uns das gestern Abend nochmal sehr intensiv gemeinsam angeschaut.
Und ja, es ist so. Hinten links ist eine Taktunreinheit, die man nicht wegdiskutieren kann. Der Mannschaftstierarzt hat das Pferd untersucht. Es sind äußerlich keinerlei Beeinträchtigungen festzustellen, sodass wir uns die Ursache für diese Taktunreinheit nicht erklären können und auch vor Ort nicht klären können. Das bedarf eingehender Untersuchungen und deshalb haben wir uns entschieden zum Wohle des Pferdes auf einen weiteren Start von Totilas zu verzichten.
Bei den Fragen nahmen sich die deutschen Journalistenkollegen kein Blatt vor den Mund, die Antworten waren jedoch – wie gewohnt – sehr ausweichend.
FRAGE:
Es entstand der Eindruck, dass die Mannschaftsführung von Anfang an gar nicht davon ausging, dass das Pferd die drei Prüfungen durchsteht. Müssen Sie sich jetzt mit dem Vorwurf auseinandersetzen, dass Sie ein angeschlagenes Pferd mitgenommen haben um womöglich mit einer erhofften Wertung von über 80 Prozent den Deutschen Gold zu sichern?
ANTWORT:
Ja, so kann man denken. Das ist nachvollziehbar. Auch für uns nachvollziehbar und dass wir uns dieser Diskussion stellen müssen ist auch nachvollziehbar und deshalb sitze ich ja heute hier. Auf der anderen Seite, nein. Sicher war es das erklärte Ziel hier Gold zu gewinnen – ganz klar. Die Resultate zeigen auch, dass man Paare braucht, die über 80 Prozent gehen. Totilas hat in Hagen gute Runden gedreht, da waren Fehler drin in den Prüfungen , aber es gab von uns aus keinerlei Beanstandungen, dass das Pferd icht in der Lage ist, drei Prüfungen zu gehen. Sonst hätten wir da mit Sicherheit auch eine andere Entscheidung getroffen. Das möchte ich ganz klar sagen.
FRAGE:
Beim Abreiten vor der Prüfung auf dem Vorbereitungsplatz hat Matthias eine Rechtstraversale geritten, bei der wir ganz klar diese Unreinheiten erkennen konnten. Ihr seid da herumgestanden, warum habt ihr das nicht gesehen, wenn wir es alle gesehen haben und viele andere auch?
ANTWORT
Da kann ich jetzt nur für mich persönlich sprechen. Ich kann ja nicht für Personen sprechen, die hier nicht am Tisch sitzen. Ich habe es nicht gesehen, weil ich nicht da war zu diesem Zeitpunkt. Ich habe mir die Engländer und die Holländer angeguckt, weil ich das voll spannend fand und ich wissen wollte, wie die Rennen ausgehen. Also von da her bitte ich um Nachsicht, dass ich zu dem Thema selber nichts sagen kann.
FRAGE:
Als Reiter spürt man so etwas doch als erstes, wenn ein Pferd anders auftritt. Hat Herr Rath Ihnen denn das beschrieben?
ANTWORT
Klar haben wir auch über den Ritt selber gesprochen mit Matthias, aber es ist nicht so, dass Matthias gesagt hat: da ist etwas nicht in Ordnung.
FRAGE:
Hat er nicht gesagt?
ANTWORT
Nein
FRAGE:
Wo wird Totilas jetzt hinkommen?
ANTWORT
In eine Klinik, ich glaube in Belgien
FRAGE:
Es hat ja ein Trainingslager vorher gegeben. Da wurde er ja auch ordentlich gearbeitet und belastet. Hat sich da gar nichts angekündigt? Zumal er ja bereits am Dienstag für Diskussionen nach dem Vet-Check gesorgt hat.
ANTWORT
Also: es hat ein Trainingslager gegeben, klar, Und das Trainingslager war gut, da haben wir trainiert. Das ist Sinn und Zweck des Trainingslagers, klar. Auf die Frage hin – jedes Pferd hat irgendwo ein Problem. Ich kenne kein Pferd, das kein Problem hat. Also jetzt zu sagen – es war auf jeden Fall ganz klar die Aussage oder es ist ganz klar das Statement – nochmal – es war nicht so, dass wir nicht hätten sagen können ruhigen Gewissens wir fahren hin. Ja: Da gibt’s nix dran zu deuten.
FRAGE:
Sie möchten also sagen, dass Sie nicht den Eindruck hatten, dass das Pferd schon längere Zeit instabil war?
ANTWORT
So, jetzt sagen Sie mir, was längere Zeit ist und definieren Sie instabil, dann kann ich auf Ihre Frage antworten.
weitere FRAGE:
Das müssen sie erklären. War er für den Sport geeignet?
ANTWORT
Für mich waren alle Pferde, die im Trainingslager waren ja, stabil.
FRAGE:
War an dem Bein vorher schon ein Problem aufgetreten?
ANTWORT
Nein.
FRAGE:
Wie ist jetzt die weitere Perspektive von Totilas, die weiteren Untersuchungen in der Klinik? Gibt es da einen Plan auch weiter an Rio zu denken oder gibt es jetzt da nichts?
ANTWORT
Nein, also so weit können wir jetzt nicht denken, weil wir überhaupt nicht wissen, was die Ursache dafür ist. Das wäre jetzt wirklich zu verfrüht sich darüber Gedanken zu machen. Einmal haben wir morgen und übermorgen noch Prüfungen hier und wir haben noch drei Teilnehmer am Start. Und da rechnen wir uns auch noch gewisse Chancen aus und da werden wir auch noch alles Mögliche tun im Viereck, dass das noch erfolgreich am Samstag und Sonntag über die Bühne geht. Denn da sind wir grimmig entschlossen, auf Angriff zu reiten.
FRAGE:
Sie haben der Aussage eben, es habe Diskussionen beim Vet-Check gegeben hat, nicht widersprochen. Was gab es da?
ANTWORT
Was da diskutiert wurde unter den Teilnehmern oder unter den Damen und Herren die den Vet-Check gemacht haben, kann ich nicht sagen. Weil ich stand im Prinzip auf der einen Seite, Totilas stand dazwischen und auf der anderen Seite standen die Damen und Herren, die den Vet-Check gemacht haben. Was im Einzelnen diskutiert wurde, kann ich Ihnen nicht sagen.
FRAGE:
Das wird also mit dem Chef d ’Equipe nicht besprochen?
ANTWORT
Nein. Beim Vet-Check gibt es nur eines, entweder accepted oder noch mal vortraben oder Holding box, alles dazwischen gibt es nicht.
FRAGE:
Aber Sie werden ja inzwischen auch mit dem Reiter gesprochen haben?
ANTWORT
Aber da bitte ich um Verständnis. Vet-Check ist Vet-Check und accepted ist accepted.
FRAGE:
Bedauern Sie es im Nachhinein als Vorsitzender des Ressorts, dass sie dem Pferd nicht vorher eine größere Belastungsprobe abverlangt haben?
ANTWORT
Also wenn man vom Rathaus kommt, ist man im Nachhinein immer schlauer. Das ist so. Auch das werden wir intern besprechen. Da können Sie getrost von ausgehen, dass wir das nach dieser Veranstaltung in einer kleinen Runde diskutieren werden und dann da auch zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen werden. Was ich sag mal Themen für die Zukunft anbetrifft.
FRAGE:
Es war ja schon häufiger während eines Championats, dass es Verletzungsprobleme gab – Totilas und Rath – bedauern Sie so ein bisschen, dass sie ihn nominiert haben? Da kommt ja auch ein Leidensdruck und Sie waren zuständig fürs Nominieren.
ANTWORT
Das ist so, ja. Deshalb sitze ich auch hier. Wir haben ihn nominiert. Wir haben ihn gemeinsam nominiert auch nach den guten Ergebnissen in Hagen und von daher gab es für uns keinen Zweifel das so zu tun.
Und die Entscheidung ist gefallen und zu der Entscheidung stehe ich auch. Und alles andere müssen wir im Nachgang intern diskutieren.
FRAGE:
Warum gab man nicht generell hoffungsvollen Paaren – wie etwa Dorothee Schneider – in Hinblick auf Rio eine Chance? Fiel die Entscheidung nur in Hinblick auf die EM und gar nicht so auf Rio?
ANTWORT
Wir haben natürlich Rio im Hinterkopf gehabt. Also das Paar, was Sie jetzt gerade ansprechen, halte ich für ein bisschen verfrüht, das jetzt schon in den Championats-Kessel zu schmeißen. Natürlich kann man Dinge ausprobieren, muss man Dinge ausprobieren. Auf der anderen Seite ist so ein Championat für uns schon sehr wichtig und wir wollten den Titel verteidigen, was uns nicht gelungen ist. Sie alle kennen die Nachrückerliste, die ja auch offiziell bekannt gegeben wurde. Auch da gibt es Kriterien zu berücksichtigen. Wir werden uns auf Grund der gemachten Erfahrung mit Sicherheit überlegen müssen, wie wir unseren Sichtungsweg, unsere Auswahl in Zukunft gestalten müssen. Um – und das nochmal – nur wenn wir in Rio erfolgreich sein wollen und auch das ist ein erklärtes Ziel – müssen wir die besten Paare an den Start bringen, ansonsten wird das schwierig bis unmöglich. Ich glaube trotz des Schocks, den wir hier erlebt haben und trotz des verfehlten Zieles ist es nicht so, dass wir jetzt voller Trübsal und Trauer in die Zukunft gucken müssen. Wir haben gute Paare, die nachkommen, wir haben starke Reiter und von daher sind wir frohen Mutes, dass wir das Thema Rio sachte aber dann doch zielstrebig angehen können.
FRAGE:
Wird es das nochmal geben, dass ein Pferd von dem man weiß, dass es sehr viele Punkte bekommen kann, was aber gesundheitlich eher etwas kritisch ist – wird es das nochmal geben, dass hier mit Ausnahmegenehmigungen – das heißt die Sichtung nicht oder nur halb dann doch noch ins Team berufen wird – gearbeitet wird? Oder hat man daraus gelernt, dass so etwas nicht nochmal vorkommt?
ANTWORT
Also das ist für uns ein Lernprozess gewesen, ganz klar. Nichts desto trotz bitte ich um Nachsicht wir sind hier mitten in einem laufenden Championat – ich sprach das gerade schon mal an – und darum werden wir das dann gemeinsam in Ruhe analysieren und besprechen mit allen Beteiligten, denn da gehört ja eine ganze Menge Leute mehr zu als nur der Equipechef. Und dann werden wir unsere Lehren daraus ziehen und gucken wie wir das in der Zukunft handhaben. Aber das kann ich Ihnen nicht jetzt nicht sagen. Da muss man auch noch mal ein, zwei Nächte darüber schlafen und schauen was die Ursache war. Ich bitte um Verständnis, dass man uns die Zeit gibt.
FRAGE:
Auf was bezog sich der Schock, den Sie angesprochen haben?
ANTWORT
Auf den gestrigen dritten Platz und klar, nochmal: wir sind als Titelverteidiger angetreten und sind als Bronzemedaillist nach Hause gefahren. Das ist nicht das, was man will.
FRAGE:
Was denken sie darüber, dass Matthias Alexander Rath anscheinend gar nicht gemerkt hat, dass das Pferd nicht klar ging?
ANTWORT
Also hier reinzureiten, wissend dass es um die Mannschaftswertung geht, wissend wie eng die ganze Geschichte ist, da kann ich keinem einem Vorwurf machen. Also nochmal. Da bitte ich jeden, sich da mal draufzusetzen und sich in die Situation hineinzuversetzen. Was dann in einem Menschen vorgeht, was er fühlt oder nicht fühlt – manche können mit dem Druck gut umgehen, andere verarbeiten ihn anders. Da hat auch jeder seine individuellen Mechanismen. Da kann ich keinen Vorwurf machen.
FRAGE:
Ist das Thema Totilas für Sie erst mal aus?
ANTWORT
Ich würde gerne wissen woran es gelegen hat. Ich habe ein Problem, das muss ich analysieren und wenn ich die Ursache kenne, kann ich daraufhin weiter entscheiden wie es weiter gehen kann.
Und ohne zu wissen, was die Ursache des Problems ist, wäre es dem Pferd, dem Reiter und allen anderen Beteiligten gegenüber ungerecht dazu eine Aussage zu treffen.
FRAGE:
Sind sie sich sicher, dass man Ihnen dann auch die Aufklärung über den Gesundheitszustand geben wird? Im letzten Jahr war es ja ein Überbein, das irgendwie das Pferd knapp ein Jahr außer Gefecht gesetzt hat…
Das glaubt ja auch kein Mensch mehr… Sind Sie ganz sicher, dass sie da eine vollständige Diagnose bekommen?
ANTWORT
Da bin ich mir sicher.
FRAGE:
Die Sie auch kommunizieren?
Zwischenruf einer Journalistin:
Nein!
Gelächter im Raum
Einwand des Pressesprechers:
Frage beantwortet?
Da keine Antwort folgt: Dann ist diese Pressekonferenz jetzt beendet.
Fakt ist jedenfalls, dass Totilas bei Veröffentlichen dieses Artikels schon auf der Reise in eine belgische Klinik ist und dass seine Zukunft ungewiss ist.
Viele Fans hoffen inzwischen, dass man dem einst so glanzvollen Wunderpferd endlich Ruhe beschert und Totilas vor allem in Ruhe lässt.
Entscheiden müssen es – wie immer – die Eigentümer und der Reiter selbst.
Wohin die Reise des ehemals berühmten Hengstes geht, wird die Zukunft weisen.
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