Zum ersten Mal in ihrer Geschichte tagte die World Breeding Federation for Sport Horses (WBSFH) – der weltweite Zusammenschluss von Sportpferde-Zuchtverbänden – vom 18. bis 21. Oktober in Wien. Ihr österreichisches Mitglied, die Arbeitsgemeinschaft für Warmblutzucht in Österreich (AWÖ), war gebeten worden, dieses viertägige Event rund um Seminare und die Jahreshauptversammlung zu organisieren.
Die AWÖ holte sich als langjähriges Mitglied die Plattform PferdAustria ins Boot und gemeinsam wurde ein Programm auf die Beine gestellt, das die über 80 Teilnehmer aus 26 Nationen wirklich begeistern konnte. Verantwortlich zeichneten dafür in erster Linie Dr. Leopold Erasimus, Dr. Andrea Holzleithner und Britta Bruckmüller.
Wagenburg & Konzert
Bereits am Sonntag trafen die meisten Gäste ein und am Nachmittag ging es zum Schloss Schönbrunn mit einem Besuch der Wagenburg. Die Teilnehmer lauschten andächtig den Ausführungen des ehemaligen Leiters der Wagenburg, Hofrat Dr. Kugler, der äußerst kompetent durch die interessante Ausstellung „Der Kongress fährt“ führte. Diese Ausstellung wird seit Mai anlässlich des Wiener Kongresses vor 100 Jahren gezeigt. Daneben konnten aber auch die prachtvollen Karossen und Schlitten des Kaiserhauses in der Dauerausstellung bewundert werden und die Besonderheiten der Anspannungen wurden sehr spannend von Dr. Kugler erörtert.
Nicht gerade ungelegen kam den Gästen dann der Besuch der k.u.k.Backstube, wo eine „Strudelshow“ gezeigt wurde. Bei einer Tasse Kaffee und einem backofenfrischen Apfelstrudel konnte man sich stärken und gemütlich dem Bäcker beim Ziehen und Füllen des Strudelteigs auf die Finger schauen.
Am Abend stand dann noch ein besonderes Highlight auf dem Programm – ein Brahms-Konzert im berühmten „Goldenen Saal“ des Musikvereinshauses. Diese einzigartige Atmosphäre dieses prachtvollen und durch das Neujahrskonzert in der ganzen Welt bekannten und berühmten Musiksaals einmal live miterleben zu können, war für viele Gäste aus dem Ausland ein einzigartiges Erlebnis.
Seminartag
Der Montag war wie für alle anderen dann ein Arbeitstag – Vorträge und ein Workshop standen auf dem Programm. Sehr erfreulich und für die Veranstaltung eine besondere Wertschätzung war die Eröffnung durch den Bundesminister für Land-, Forst-, Umwelt und Wasserwirtschaft Andrä Rupprechter. Er gab einen kurzen Überblick über die Eckpunkte der Pferdewirtschaft in Österreich aber auch über die wichtigen sozialen Aspekte rund ums Pferd. Dabei outete er sich auch selbst als Pferdefan, der immer wieder gerne in den Sattel steigt.
Die ersten drei Vorträge wurden dann dem Thema Inzucht gewidmet. Univ. Prof. Dr. Johann Sölkner, von der Universität für Bodenkultur Wien, erörterte, dass der aus dem Pedigree berechnete Inzuchtgrad nicht mit dem genetischen übereinstimmt. Beim Vergleich der Genome von Vollgeschwistern hat man herausgefunden, dass die Eltern unterschiedliche Teile ihres Genoms an ihre Nachkommen weitergeben. Es ist mittlerweile möglich, über genetische Informationen noch bessere und passendere Zuchtentscheidungen zu treffen und damit in Folge auch Probleme wie Inzuchtdepression auszuschließen.
Dr. Barbara Wallner, von der Medvet Uni Vienna, gab einen Überblick über ihre Arbeit bei der Charakterisierung von Hengstlinien über das Y-Chromosom. Da dieses immer direkt vom Vater an den Sohn weitergegeben wird, können durch spezielle Marker Rückschlüsse auf den Ursprung verschiedener Hengstlinien gezogen werden. Hier stellte sich heraus, dass europäische von spanischen und arabischen Pferden, ganz enorm aber vom Vollblut beeinflusst wurden. So konnte man auch nachweisen, dass etwa die Hälfte aller modernen Sportpferdezuchten auf den Ausnahmevollblüter Eclipse zurückgehen.
Dr. Lukas Philipp Roos von der Christian-Albrechts-Universität in Kiel gab einen Überblick über die genetische Situation in der Holsteiner Springpferdezucht. Beeinflusst durch Anglonormannen und Vollblüter stieg der Inzuchtkoeffizient in der Vergangenheit durch die intensive Nutzung besonders erfolgreicher Hengste wie Cor de la bryere und Ladykiller xx aber auch durch die Zucht stark beeinflussende Stuten, wie etwa Warthburg. Damit verringerte sich die genetische Variabilität. In der jüngsten Vergangenheit zeigt sich aber wieder ein Trend, Hengste mit anderem Pedigree vermehrt einzusetzen und damit den Inzuchtgrad wieder zu reduzieren.
Um Springpferde ging es auch im anschließenden Workshop, wo die Teilnehmer aufgefordert wurden, die wichtigsten Eigenschaften eines Springpferdes aus Sicht der Züchter zu erarbeiten. Diese sollten dann im Gespräch mit der FEI (Fédération Equestre Internationale) als Diskussionsgrundlage dienen.
Am Nachmittag wurde dann noch der Pferdebeurteilung viel Aufmerksamkeit gewidmet. Dr. Thomas Druml von der Universität für Bodenkultur Wien stellte eine neue Methode der Bilder-Analyse vor, mit der die Gebäude-Variationen von Lipizzanern im Bundesgestüt Piber beschrieben wurden. DI Kathrin Burger, ehemalige stellvertretende Zuchtleiterin des Oldenburger Verbandes, berichtete von ihren Erfahrungen und Erfolgen durch die Einführung der linearen Beurteilung.
Nach diesem doch recht anstrengendem Seminartag waren die Teilnehmer eingeladen, an einer Sightseeingtour per Bus teilzunehmen, die mit einem „ Gala Dinner“ beim Heurigen in Neustift endete. Neben den traditionellen österreichischen Schmankerln und dem jungem Wein sorgten auch zwei Heurigenmusiker für ausgezeichnete Stimmung. Nicht nur Wienerlieder gaben sie zum Besten, auch für WBSFH Mitglieder aus Australien und den Vereinigten Arabischen Emiraten hatten sie jeweils ein passendes Ständchen parat.
Österreichs Pferdezucht
Am Dienstagmorgen nutzte Dr. Leopold Erasimus die Möglichkeit, den internationalen Zuchtexperten auch die österreichische Warmblutzucht mit ihren Spitzenprodukten aber auch Österreich als traditionelles Pferde- und Zuchtland näher zu bringen. Ein sehr eindrucksvoller Film über die österreichischen Pferderassen wurde präsentiert und den Teilnehmern auch für Demonstrationszwecke in ihrem Heimatland zur Verfügung gestellt. Der AWÖ-Geschäftsführer versäumte es auch nicht, sich kritisch über verschiedene, aktuelle Entwicklungen im Sport und in der Zucht zu äußern – etwa dem Imageverlust der Pferdebranche durch strittige Trainingsmethoden im Spitzensport oder der internationalen Tätigkeit von Pferdezuchtverbänden. Das österreichische Konzept, bei dem alle Landeszuchtvereine überregional und rassenübergreifend zusammen arbeiten, wurde vom Auditorium sehr positiv bewertet.
Danach stellte Dr. Max Dobretsberger die Spanische Hofreitschule und das Bundesgestüt Piber mit seiner Lipizzanerzucht vor und anschließen ging es direkt zur Winterreitschule am Josefsplatz. Dort gab es einen Sektempfang in den Repräsentationsräumen, einen Besuch der Morgenarbeit und abschließend eine Stallführung.
Nach dem Mittagessen war dann die Generalversammlung anberaumt, bei der einerseits Wahlen anstanden und andererseits auch ein neuer Arbeitsmodus beschlossen wurde. Verschiedene Arbeitskreise sollen in Zukunft ermöglichen, dass sich auch kleine Zuchtverbände besser in die Arbeit der WBFSH einbringen können.
Im Anschluss an diese lange und anstrengende Sitzung sorgte ein beschwingtes Konzert mit Melodien von Mozart und Strauß im Kursalon des Stadtparkes wieder entspannte und fröhliche Stimmung.
In bester Erinnerung
Am Mittwoch ließ man die Veranstaltung noch mit einer Busfahrt über die Ringstraße und einem Besuch des Heeresgeschichtlichen Museums im Wiener Arsenal ausklingen. „Des Kaisers Pferde“ lautete das Thema der Führung, die Herr Horak äußerst interessant und fachkundig gestaltete.
Die WBSFH-Tagung in Wien wird den 85 Teilnehmern aus 26 Ländern in bester Erinnerung bleiben. Viele von ihnen bedankten sich persönlich für die außergewöhnlich gute Betreuung und die vielfältigen, wundervollen Eindrücke, die sie nach Hause mitnehmen konnten. Die WBSFH selbst bedankte sich für die außergewöhnlich gute Zusammenarbeit und betonte wiederholt, dass hier sicher eine der besten Tagungen seit deren Bestehen stattgefunden hatte. Nicht nur weil Wien einfach Wien ist und kulturell und geschichtlich unglaublich viel zu bieten hat, sondern weil der warme, herzliche Empfang, die Auswahl der Sehenswürdigkeiten aber auch die perfekte Organisation, das punktgenaue Timing und das österreichische Fachwissen beeindruckt haben.
Dieses Event darf also ohne Zweifel als ein ausgezeichneter Auftritt und eine Weiterempfehlung der österreichischen Pferdezucht in die ganze Welt gewertet werden.
Quelle: Pressemitteilung